konkret & abstrakt, Ludwig Gebhard Museum, bis 1. Oktober 2023
Konkrete Kunst abstrahiert nichts in der materiellen Welt Vorhandenes, sondern materialisiert Geistiges. Sie besitzt keine symbolische Bedeutung, und sie wird mehr oder weniger rein durch geometrische Konstruktion erzeugt. Ludwig Gebhard beschäftigte sich aber auch mit Darstellungen gegenständlicher Art, meist Menschen oder Stillleben, die er zunehmend abstrahiert. So kann im Raum der abstrakten Werke bei der Betrachtung spielerisch das Ausgangsmotiv erforscht werden.
Aus den vielfältigen künstlerischen Techniken im Werk von Ludwig Gebhard werden in der Ausstellung diesmal ausschließlich Bilder in Ölmalerei gezeigt. Von diesen beeindruckenden mittleren bis großen Formaten auf Leinwand werden zwei Werkgruppen gezeigt. Die konkreten Bilder werden in einem, und die abstrakten Bilder im anderen Ausstellungsraum gezeigt. Dadurch kann der Besucher sehr intensiv in jede der beiden Stilarten eintauchen und deren Eigenart beim Betrachten erfahren.
Die Ausstellung konkret & abstrakt, zum 90. Geburtstag läuft im Ludwig Gebhard Museum in Tiefenbach, noch bis 1. Oktober 2023
Ein Gespräch mit Conradine Gebhard
Ludwig Gebhard hat eine große Vielfalt von Ausdrucksmöglichkeiten entwickelt…
Er war immer sehr experimentierfreudig. Anfangs zeichnete und malte er hauptsächlich mit Feder, Bleistift und Pinsel, später kamen die Steinkreidelithografie, der Linolschnitt und andere Drucktechniken hinzu, außerdem Textil- und Schmuckdesign, Plastiken und Metallskulpturen. Er hat figurativ und gegenstandslos gearbeitet.
Gerade im Linolschnitt hat er es zu fast virtuoser Meisterschaft gebracht. Kaum ein Künstler hat so präzise, akribisch und technisch anspruchsvoll gearbeitet wie er. Für das Werk „Torte und Tasse“, hat er es auf 18 Druckvorgänge gebracht. Auch seine Farbverläufe beim Linolschnitt sind einmalig. Er wollte Farbe in die Welt bringen. Sicher auch eine Reaktion auf seine Kindheit während des Krieges und den frühen Tod der Eltern.
„Energiegeladen, kantig, kritisch“ wurde er einmal genannt - wie war Ludwig Gebhard als Mensch?
Ludwig war immer sehr diszipliniert und er lebte für seine Kunst. Sein Arbeitstag im Atelier begann jeden Morgen um sechs Uhr, Wochenenden meist mit eingeschlossen. Er trug auch beim Drucken niemals einen Kittel und trotzdem waren nie Farbspritzer auf seiner Kleidung. Er liebte es, wenn ich ihm beim Arbeiten aus Katalogen und Künstlerbiografien vorlas. Außerdem gingen wir auf Reisen und besuchten überall in Europa Museen. Zu seinen großen Vorbildern zählte er Picasso, Matisse, Léger, Klee, Vasarely – aber er sagte immer, er wolle die Werke der anderen weiter entwickeln, sich inspirieren, niemals kopieren.
Wo fand er seine Motive?
Die Augen, der Lebensbaum, die „Ohrenköpfe“ waren Themen, die ihn beschäftigten. Er gibt auch eine sakrale Serie mit Kreuzen und eine Stuhl-Reihe. Die Ohrenköpfe beziehen sich auf die Zeit, als er als Student in der Telefonauskunft jobbte – während er stundenlang am Telefon hing, hat er tausende von Skizzen auf Post-Notizzetteln angefertigt.
Wie kam er dann selbst zur Kunst?
Künstlerisch tätig zu werden, war für ihn eine innere Notwendigkeit und ein Bedürfnis. Eigentlich wollte er Musiker werden und Geige spielen, aber in der Kriegszeit war es schwierig, einen guten Lehrer und ein Instrument zu finden. Aber in seiner Jugend spielte er sehr gut Zither – und er hat auch ein Stück für Violine „Gruß an Tiefenbach“ komponiert. In München besuchte er dann die Akademie der Bildenden Künste.
Wie ist das Ludwig Gebhard Museum in Tiefenbach entstanden?
Der damalige Bürgermeister von Tiefenbach stellte das Gebäude zur Verfügung - die ehemalige Volksschule, wo auch mein Mann zur Schule gegangen ist - und Ludwig stiftete die Bilder. Alles Weitere ging dann recht schnell und so kann dort seit dem Jahr 2000 eine umfangreiche Sammlung präsentiert werden. Meinem Mann gefiel an der Idee des Ludwig Gebhard Museums (externer Link, öffnet neues Fenster) vor allem, dass die Kinder von Tiefenbach so schon früh mit moderner Kunst in Kontakt kommen können. Denn er selbst war im Krieg „bilderlos“ aufgewachsen. Erst mit 19, als seine Eltern nach München zogen, entdeckte er dort die Museen, die Kunst und die Bilder.
Raumgreifende Kunst: der Skulpturenweg Tiefenbach
Neben Druckgrafik und Malerei befasste sich der Künstler intensiv mit plastischem Arbeiten. 2019 entstand der Skulpturenweg: er führt von der Kirche bis zum Museum, 14 Werke von Ludwig Gebhard, die zwischen 1981 und 1986 entstanden, säumen ihn. Die aus Bandstahl gearbeiteten oder Eisenstäben geformten Werke sind in zwei Werkgruppen zu unterteilen: Kopfbilder und konkrete konstruktivistische Figuren. Eigens dafür ist auch die „Lollo“, eine Metallskulptur, die vorher im Luna-Park in Landsberg stand, nach Tiefenbach umgezogen.
Wo sonst in Bayern und in der Welt können Besucher die Werke von Ludwig Gebhard bewundern?
Er ist in München im Lenbachhaus (externer Link, öffnet neues Fenster) und in der Pinakothek der Moderne (externer Link, öffnet neues Fenster) vertreten, in Landsberg, in Augsburg, in Neu-Ulm im Edwin Scharff Museum (externer Link, öffnet neues Fenster). Außerdem im Grassi-Museum in Leipzig, in der Albertina in Wien, in Basel und Zürich, Rio de Janeiro und Tel Aviv.
Übrigens: in Tiefenbach findet sich gemessen an der Einwohnerzahl die höchste Museumsdichte des ganzen Landkreises Cham, der immerhin fast dreißig Museen vorzuweisen hat! Die Gemeinde zeigt neben dem Ludwig Gebhard Museum (externer Link, öffnet neues Fenster) in ihrem zweiten Museum Ehemalige Klöppelschule (externer Link, öffnet neues Fenster) wie ihre alte Handwerkskunst bis zur Weltausstellung reiste.
Beide Museen sind von April bis Oktober am ersten Sonntag des Monats und nach Vereinbarung geöffnet!
Abb. ganz oben: Ludwig Gebhard, Mensch und Natur, 1999, Öl auf Leinwand.
Alle Abbildungen werden mit freundlicher Genehmigung von Conradine Gebhard verwendet.
Nathalie Schwaiger