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Citizen Science bei der Raubkunst-Forschung

Das Oberhausmuseum Passau geht neue Wege bei der Provenienzforschung: Statt die Kunsthistorikerin allein im Archiv forschen zu lassen, soll hier die ganze Stadt mithelfen. Der Startpunkt: Ein Stapel aus Kunsttransportkisten mitten in der Fußgängerzone von Passau.

Gehört das Ihnen?

Unter dem Motto „Gehört das Ihnen?“ werden Passauerinnen und Passauer eingeladen, bei der Identifizierung von Kunstwerken zu helfen, deren Herkunft bislang ungeklärt ist. Bei einigen dieser Objekte handelt es sich sehr wahrscheinlich um Raubkunst – Werke, die vor 1945 auf illegalem Weg in das damalige Ostmarkmuseum gelangten; die ehemaligen Eigentümer sind nicht bekannt. Im Rahmen eines zweijährigen Forschungsprojekts (externer Link, öffnet neues Fenster) werden unter anderem diese Objekte genauer untersucht. Bei einigen stößt jedoch auch die sorgfältigste Forschung an ihre Grenzen. Und genau hier setzt die Aktion an: Mit Neugier, Spürsinn und digitalen Fähigkeiten kann die Passauer Bevölkerung bei der Aufklärung helfen. Und: alle Menschen, die nicht in Passau leben, aber im Internet sind.

Vermutete Raubkunst im ehemaligen Ostmarkmuseum

Nach der Einnahme der Veste Oberhaus durch die US-Armee im Mai 1945 wurden Teile der Burg geplündert. Bei den anschließenden Aufräumarbeiten wurden Kunstwerke aufgefunden, die nicht zum Museumsbestand gehörten. Viele Menschen, die flüchten oder emigrieren mussten, brachten ihre Wertgegenstände, Möbel und Kunstwerke in kommerziellen Lagern unter. Aus diesen Lagern wurden nachweislich tausende von Kunstwerken von der deutschen Besatzungsmacht entwendet und ins Deutsche Reich transportiert. Die derzeitige Arbeitshypothese lautet, dass die meisten der untersuchten Werke (externer Link, öffnet neues Fenster) aus Pariser Möbellagern geraubt wurden. Es ist derzeit noch unklar, wie diese Werke nach Passau gekommen sind, wo sie 1945 gefunden wurden. Ebenso unklar ist, wem diese Werke gehört haben. Für einige der untersuchten Werke führen die Spuren auch nach Berlin.

Aufmerksamkeit für ein schwieriges Thema

Provenienzforschung – also die wissenschaftliche Untersuchung der Herkunft von Objekten – ist ein zentrales Instrument, um unrechtmäßig entzogenes Kulturgut zu identifizieren und seine Geschichte zu klären. Auch im Oberhausmuseum wird intensiv an der Aufarbeitung gearbeitet. Doch selbst die gründlichste Forschung konnte bislang nicht alle Fragen beantworten. Um neue Erkenntnisse zu gewinnen, ergeht nun der Aufruf an die Öffentlichkeit. Ziel ist es, Erben ausfindig zu machen, damit geraubte Objekte an ihre rechtmäßigen Eigentümerinnen und Eigentümer zurückgegeben werden können. Gleichzeitig soll die Aktion verdeutlichen, dass die Aufarbeitung der NS-Zeit immer noch nicht abgeschlossen ist und weiterhin von großer Bedeutung bleibt.

Die Aktion am Ludwigsplatz

Von September bis November 2025 steht auf dem Ludwigsplatz im Stadtzentrum von Passau ein Stapel aus Kunsttransportkisten. Auf diesem werden im dreiwöchigen Wechsel jeweils zwei Werke plakatiert, bei denen alle mit Spürsinn und einem Internetzugang helfen können: Es sollen Signaturen entziffert, Künstlernamen identifiziert und abgebildete Orte oder Personen erkannt werden. Jeder Hinweis kann dazu beitragen, die ehemaligen Eigentümerinnen oder Eigentümer dieser Kunstwerke wiederzufinden. Ein QR-Code auf den Plakaten führt zu einer Projekt-Website (externer Link, öffnet neues Fenster) mit hochauflösenden Abbildungen, anhand derer recherchiert werden kann. Außerdem stehen Datenblätter zur Einsicht bereit, auf denen die bisherigen Forschungsergebnisse zusammengetragen wurden.

Die ersten Tipps sind da!

Bei den einzelnen Werken geht es um unterschiedliche Dinge, zu denen recherchiert werden kann.

Das Ölgemälde „Sitzende Diana mit ihren Gefährtinnen“ stammt vermutlich aus dem 18. Jahrhundert. Es hat sich zwischen 1934 und 1940 sehr wahrscheinlich in Wien befunden, wie ein Stempel der Zentralstelle für Denkmalschutz (externer Link, öffnet neues Fenster) auf der Rückseite belegt. Diese Stelle genehmigte die Ausfuhr von Kunstwerken ins Ausland. Da das Werk ausgeführt werden durfte (sonst hätte es den Stempel nicht erhalten), hat es vermutlich keinem jüdischen Sammler gehört, dessen Besitz zur illegalen Verwertung im Land gehalten wurde. Der Künstler hat sein Werk signiert; diese Signatur ist allerdings nicht zu entziffern. Hier erhielt das Museum aber bereits einen Tipp, dem derzeit nachgegangen wird.

Die farbige Zeichnung „Porträt eines Soldaten mit Mütze“ zeigt einen jungen Mann in Uniform, sehr wahrscheinlich aus dem Ersten Weltkrieg. Die Uniform ist wahrscheinlich aus Österreich, könnte aber auch auf Frankreich hinweisen. Die Zeichnung ist weder datiert noch signiert. Das Museum hofft darauf, den jungen Mann identifizieren zu können.

Das kleine Ölgemälde „Landschaft mit Fabrik“ wurde vermutlich um 1930 gemalt. Es stammt möglicherweise aus Frankreich oder den Niederlanden. In der linken unteren Bildecke findet sich vermutlich eine Signatur, die jedoch kaum lesbar ist, wenn es denn überhaupt eine Unterschrift ist. Ein Stempel auf der Rückseite weist auf eine Einlagerung in Paris hin. Das Museum würde gerne den Ort der Fabrik identifizieren, um so möglichen Besitzern auf die Spur zu kommen.

Die Zeichnung „Sitzende Dame mit drei Herren“ stammt vom deutschen Illustrator und Zeichner Theo Matejko (1893–1946). Dieser zeichnete das Blatt am 6. September 1925, wie die Signatur belegt. Die Widmung lautet „Frau [unleserlich], der leider allzu tüchtigen Chefin der Ufa-Propaganda in Freundschaft gewidmet“. „Propaganda“ bezieht sich hier vermutlich auf Werbung für Filme, die die Universum AG in Berlin drehte und für die Matejko Werbeplakate zeichnete. Das Museum sucht den Namen der abgebildeten Frau.

Die Pastellzeichnung „Damenporträt im Oval“ stammt sehr wahrscheinlich vom heute vergessenen Maler Karl Heinrich Schulz. Er wurde 1884 in Bromberg, dem heutigen Bydgoszcz in Polen, geboren; sein Todesdatum ist unbekannt. Das Werk stammt von 1924. Zu dieser Zeit hielt sich Schulz nach bisherigen Erkenntnissen in Berlin auf. Das Museum hofft, die abgebildete Dame identifizieren zu können oder mehr über den Maler zu erfahren.

Die farbige Zeichnung „Sitzende Dame bei der Toilette“ wurde laut Signatur 1939 erstellt, die Widmung ist französisch: „Pour Armand Leon en signe de bonne amitié (Für Armand Leon als Zeichen guter Freundschaft)“. Der Künstler oder die Künstlerin signierte auch einen Namen, der bereits wenige Tage nach Beginn der Aktion von einem Forscher identifiziert werden konnte. Es handelt sich um André Dignimont (externer Link, öffnet neues Fenster)(1891–1965). Das Museum hofft nun noch, den Namen von „Armand Leon“ zuordnen zu können.

Und jetzt kommen Sie: 

Auf der Website des Hauses finden Sie hochauflösende Fotos sowie Datenblätter mit den bisherigen Erkenntnissen.

Bleibt auf dem Laufenden @oberhausmuseum (externer Link, öffnet neues Fenster)

Auf Instagram gibt es Infos zu Veranstaltungen sowie natürlich das Neueste zur Aktion.

Oberhausmuseum Passau

Als historisches und kunsthistorisches Museum der Stadt Passau hat das Oberhausmuseum viel zu erzählen. Platz genug gibt es, gehört doch die Veste Oberhaus zu den größten Burgfestungen Europas. 

Ein Gastbeitrag des Oberhausmuseums Passau