"Menschen mit ähnlichem Humor", "Familie", "Freunde", "wo auch andere willkommen sind" - auf der "Zuhause-Gefühl-Wand" in der Wanderausstellung „Woher|Wohin. Eine Ausstellung vom Ankommen und Weggehen (externer Link, öffnet neues Fenster)“, die seit letztem Jahr durch Unterfranken tourt, kleben viele Zettel. Jeder Post-it-Zettel eine Antwort - aber eigentlich sind sich die meisten einig. Nicht die großen Sachen machen "Zuhause" aus, nicht die Grenzen oder Unterschiede, sondern die kleinen Dinge und vor allem die Menschen - in Unterfranken, in Franken, in Bayern, in Deutschland, in Europa, in der Welt. Egal wo wir leben, egal woher wir kommen und wohin uns das Leben treibt: wir sehnen uns danach, uns frei entfalten zu können, nach Harmonie, friedlichem Zusammenleben und Miteinander.
Ein Gastbeitrag von Dominik Pesamosca, Bezirk Unterfranken
Einen ganzen Sommer lang waren Jannis Seifert vom Museum für Franken und ich in unterfränkischen Kreisstädten unterwegs. Als rasende Reporter haben wir die Bürger*innen im Vorfeld des Ausstellungsstarts auf Plätzen und Straßen befragt. Nach Würzburg und Aschach macht die Ausstellung vom "Ankommen und Weggehen" nun Station in Schweinfurt (externer Link, öffnet neues Fenster)im Alten Rathaus (externer Link, öffnet neues Fenster) (noch bis 24. Oktober).
Von Würzburg über Aschach nach Schweinfurt
Soziale Kontakte sind, quer durch alle unterfränkischen Landkreise, das Wichtigste. Egal ob Familie oder Freunde ‒ so fühlen sich die Besucher am wohlsten oder eben „Zuhause“. Ein wichtiger Punkt ist auch die Natur. Gerade in Aschach – als Tor zur Rhön – wissen die Menschen um die Wichtigkeit der Landschaft und geben sie als Voraussetzung an, um sich Zuhause zu fühlen. Neben sachlichen Antworten, sind aber auch wieder einige kreative dabei. So wird das Zuhause beschrieben, als dort "wo ich die Stromrechnung zahle" oder "wo ich die Leute bereits auf der Treppe erkenne". Manchmal war der Ton auch nachdenklicher, wenn das Gefühl von Nicht-Akzeptiert werden bis heute, viele Jahrzehnte nach der Zuwanderung aus Schlesien, andauert. Neben den Statements sind auch viele nette kleine Kunstwerke zu sehen...
Auch Kindern eine Stimme geben
In Würzburg und Aschach waren nun auch Kinder aufgerufen, kreativ zu werden. Im Schutze einer möglichen Anonymität haben sich auch die kleinsten Gäste getraut und uns ihre Statements, Zeichnungen und Ideen dagelassen. Zu dem Thema hat einfach jede*r, groß und klein, etwas zu sagen...
Neben der „Zuhause-Gefühl-Wand“ gibt es noch weitere Mitmachstationen wie ein Flaggenquiz oder ein Rätsel über ein- und ausgewanderte Wörter. Außerdem werden Geschichten über das Ein/ Auswandern in Unterfranken erzählt, von den Wandermönchen im 6. Jahrhundert über die Amerika-Auswanderer, Arbeitsmigrant*innen bis zu zu der aktuellen Situation der Geflüchteten.
Mobilität und Migration sind seit Jahrhunderten prägende Elemente unserer Gesellschaft. Auch Unterfranken hatte als bedeutende Handels-, Kultur-, Universitäts-, Industrie- und Grenzregion in der Vergangenheit einen hohen Grad an Wanderbewegungen zu verzeichnen – und einen besonders deutlichen Zugewinn an kulturellen Einflüssen und inspirierendem Austausch. Deshalb geht die Schau zum Nachdenken und Mitmachen passend zu ihrer Thematik in den nächsten Jahren auf die Reise und wird in verschiedenen Museen und Kultureinrichtungen in Unterfranken gezeigt.
On the road durch Unterfranken
Sommer 2019, 900 Kilometer, 8 Tage: Bad Neustadt, Haßfurt, Aschaffenburg, Karlstadt, Kitzingen, Miltenberg, Bad Kissingen und Schweinfurt waren unsere Ziele. Auf Marktplätzen, in den Straßen, an Kreuzungen - überall stellten wir die Frage „Was braucht ein Ort, damit du dich zuhause fühlst?“. Denn bei dem Thema können alle mitreden, Vorkenntnisse ergeben sich zwangsläufig aufgrund menschlicher Empfindung. Wir wollten damit das Thema der Ausstellung in den digitalen Raum tragen. Durch das Erzählen von persönlichen Geschichten wurden die Bürgerinnen und Bürger Teil der Ausstellung.
Als Durchführungsort hatten wir uns den Marktplatz oder eine zentrale Stelle des jeweiligen Ortes ausgewählt. Im Vorfeld unserer Rundreise nahm ich mit den jeweils zuständigen Ordnungsämtern Kontakt auf. Manchmal reichte eine mündliche oder kurze schriftliche Anfrage, teils musste ich auch ein Formular ausfüllen, um unser Anliegen zu beantragen. An unserem Ziel angekommen, errichteten wir einen mobilen Wegweiser und nahmen Kamera sowie Klemmbrett in die Hand. Weitere Utensilien waren ein Rollkoffer sowie ein Globus, den wir in Form eines aufblasbaren Wasserballes präsentierten. Mit unserem Equipment waren wir auf dem Marktpatz nicht zu übersehen. So kam es zu einer ersten Kontaktaufnahme ab und zu auch schon deswegen, weil Passant*innen auf uns zukamen, um den Grund unseres Aufmerksamkeit-erregenden Erscheinungsbildes zu erfragen oder einfach nur neugierig zu beobachten.
(Fast) alle machen mit
Den ersten Schritt haben meistens wir gemacht und sind auf die Bürger*innen zugegangen: „Darf ich Sie kurz stören?“ oder „Lust, bei einer Ausstellung mitzuwirken?“. Entgegen unserer Vermutungen im Vorfeld, wonach wir mit eher wenig Interesse oder Abwehr rechneten, waren die Gesprächspartner*innen sehr oft bereit, uns eine Antwort zu geben. Natürlich war oft auch nur „Nein, ich hab jetzt keine Zeit“ als Entschuldigung zu hören. Womöglich wäre der Zusatz „…und Lust“ noch zutreffender, was sich aber aufgrund nicht vorhandener Kommunikation nicht beweisen lässt. Ein Porträtfoto von den Leuten zu bekommen, war deutlich schwieriger...
Das Durchschnittsalter lag bei etwa 44 Jahren. Wie vorher vermutet, trafen wir beispielsweise in einer Studentenstadt wie Würzburg eher jüngeres Publikum an. Vor allem in ländlicheren Regionen wie in Bad Neustadt oder Bad Kissingen standen uns hingegen ältere Ansprechpartner*innen Rede und Antwort. Auch viele Tourist*innen gaben uns bereitwillig Auskunft. Erwähnenswert ist auch das Zusammenspiel mit den örtlichen Pressevertreter*innen. So berichteten sie in einigen Orten nicht nur im Nachhinein über unsere Aktion, sondern machten auch schon im Vorfeld auf unsere Gegenwart aufmerksam. Das führte sogar dazu, dass wir aufgrund solcher Berichte gezielt aufgesucht wurden und ein Statement abholen konnten.
Hauptsache die richtigen Menschen!
Am Ende unserer Tour hatten wir 133 Statements und Porträts gesammelt. Dabei kristallisierte sich heraus, dass vor allem die sozialen Kontakte – seien sie familiärer oder freundschaftlicher Natur – das Wichtigste sind, um sich an einem Ort zuhause zu fühlen. Kreativ Antworten waren natürlich auch dabei: "ein passendes Schlüsselloch für meinen Schlüssel" in Miltenberg oder in Bad Kissingen, wo uns die Rhön als "schönster Ort der Welt" angepriesen wurde. Viele Bürger*innen verspürten außerdem das Bedürfnis, uns aus ihrem Leben zu erzählen, philosophierten mit uns über den Unterschied zwischen Heimat und Zuhause oder teilten uns in teils heiklen Gesprächen ihre Ansichten von einer Überfremdung ihres Wohnortes mit. Wir haben diskutiert, zugehört, nachgehakt, interviewt, geschlichtet, erklärt, vermittelt – und kehrten am Ende des Tages erschöpft, zufrieden und mit unzähligen Antworten im Gepäck in unsere Homebase Würzburg zurück.
Wie könnt ihr mitmachen?
Der einfachste Weg, sich an der Aktion zu beteiligen, ist natürlich ein Besuch der Ausstellung. Dort könnt ihr an der „Zuhause-Gefühl-Wand“ eure kleinen Geschichten, Zitate oder auch Zeichnungen hinterlassen. Ansonsten könnt ihr eure Statements auf den sozialen Netzwerke beitragen:
Wir sind gespannt auf eure Meinung! Wo ist für euch "zuhause"? Was bedeutet Heimat für euch? Was braucht ihr, damit ihr euch irgendwo "angekommen" fühlt? Macht mit und schreibt uns, was euch derzeit bewegt - unter dem Hashtag #woherwohin auf Instagram, Facebook oder Twitter!
Weitere Infos zur Ausstellung und das Begleitprogramm an Führungen, Filmabenden, Familiennachmittagen und Symposien findet ihr auf der Webseite des Bezirks Unterfranken (externer Link, öffnet neues Fenster).
Die nächsten Stationen 2020-2022 sind: Schweinfurt, Karlstadt, Ochsenfurt, Volkach, Marktheidenfeld, Iphofen, Gerolzhofen, Aschaffenburg, Bad Königshofen und Ebern
Gastbeitrag von Dominik Pesamosca. Er studierte Europäische Ethnologie und Spanische Philologie in Würzburg, hat erfolgreich das Masterstudium abgeschlossen und ist wissenschaftlicher Volontär im Referat Kulturarbeit und Heimatpflege des Bezirks Unterfranken.
Abb. ganz oben: ein Blick weit über den Tellerrand hinaus - vom Museum für Franken in Würzburg. Foto: Dominik Pesamosca, Bezirk Unterfranken