Seit Ende der 1960er Jahre werden die klassischen Wirtschaften im Freistaat Bayern immer weniger, Corona und der aktuelle Personalmangel verschärften die Situation noch einmal. Deshalb widmete das Haus der Bayerischen Geschichte seine Bayernausstellung 2022 diesen Tempeln der Gemütlichkeit in einer Ausstellung.
Der „Grüne Baum“ war im 19. Jahrhundert eine der beliebtesten Gartenwirtschaften Münchens. Sogar König Ludwig I. soll hier eingekehrt sein. Moritz Carl Friedrich Müllers stimmungsvolles Gemälde zeigt die bunte Vielfalt der Gäste: Versorgt vom „Radiweiberl“ und unterhalten von einer Harfenspielerin saßen Flößer und Soldaten, Künstler und Bürger ungeachtet aller Standesunterschiede "z'sam" beim Bier. Die vielgerühmte soziale Gleichheit im Biergarten betonten bereits die damaligen Zeitgenossen gern. Meist suchte sich die bessere Gesellschaft aber doch einen eigenen Tisch.
Von München aus eroberten die ersten Großbrauereien die Welt. Zwischen 1880 und 1902 eröffneten 20 neue Bierpaläste in der Stadt – im Durchschnitt fast einer pro Jahr! Der berühmteste von ihnen, das Hofbräuhaus, wurde 1589 gegründet und war lange im Besitz der bayerischen Herzöge und Kurfürsten. 1852 übergab es König Maximilian II. dem bayerischen Staat. 1897 wurde der riesige, bis heute nur wenig veränderte Biertempel eröffnet. Doch egal ob "königlich" oder heute "Staatliches Hofbräuhaus am Platzl", das Bier, die Musik, die Stimmung, der Schweinsbraten, die Knödel und Brez'n locken täglich bis zu 35.000 Menschen an.
Wirtshaussterben? Wirtshausleben!
Die Bayernausstellung aus dem Haus der Bayerischen Geschichte ist weitergezogen ins BRÄUSEUM Kloster Aldersbach und dort noch bis und 31. Mai 2028 zu sehen!
Gehört das bayerische Wirtshaus jetzt auch schon ins Museum? Die sprichwörtliche bayerische Gemütlichkeit ist weltweit begehrt. Trotzdem werden die Wirtshäuser im Freistaat immer weniger – schon lang vor Corona. Wie es um die Geschichte der bayerischen Gastlichkeit steht und was Wirte und Gäste gegen das Wirtshaussterben tun können erfahrt ihr im neuen Brauereimuseum, im Sudhaus und Kellergebäude der ehemaligen Klosterbrauerei aus dem 18. Jh. Es gehört zum sehenswerten Ensemble von Kirche und Kloster in Aldersbach und ist eine der ältesten Brauereien Bayerns.
Gemütlichkeit all over the world
Nicht nur auf den Weltausstellungen, sondern auch auf kleineren internationalen oder regionalen Ausstellungen machten die bayerischen Brauer die Wirtshauskultur im 19. Jahrhundert bekannt. Vielerorts etablierten sie sich dauerhaft: In vielen europäischen Metropolen von Paris bis Prag öffneten Bierpaläste nach Münchner Vorbild. Neben dem Bier selbst entwickelte sich also auch der Bierpalast zum weltweit gefragten Exportschlager. Dennoch, "da samma uns doch einig", oder? Die Dichte von urigen, traditionellen Wirtshäusern ist nirgendwo so hoch, wie hier bei uns in Bayern...
Seid ihr bereit für unsere Wirtshaustour? Wir starten unweit der Bayernausstellung und dem Haus der Bayerischen Geschichte - vor den Toren von Regensburg. Denn dort steht das angeblich älteste Wirtshaus der Welt...
Das Wirtshaus Röhrl in Eilsbrunn/Sinzing und das Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg
Das lindgrüne, denkmalgeschützte Gebäude ist fast 1.000 Jahre alt. Seit 1658 befindet es sich in Familienbesitz, seitdem wird hier ohne Unterbrechung gekocht und ausgeschenkt. In elfter Generation wird es von Karin und Muk Röhrl geführt und steht auch schon im Guinness-Buch der Weltrekorde. Die Traditionsgaststätte zählt zu den schönsten denkmalgeschützten Wirtshäusern in ganz Bayern. Die Stuben waren auch schon oft in Serien und Spielfilmen zu bewundern.
Die gesamte Familie Röhrl teilt seit jeher eine große Passion für die Jagd. Ebenso groß ist ihre Sammelleidenschaft: in der kleinen Ausstellung (externer Link, öffnet neues Fenster) haben zehn Generationen wissenschaftlich - mehr oder minder- bedeutende, aber auf alle Fälle sehenswerte Exponate angehäuft - von alten Werkzeugen bis zur Original-Einrichtung der früheren Fremdenzimmer.
Unterhaltsam: eine Führung mit Wirtsvater Paul Röhrl, inklusive Anekdoten und Geschichten.
Das Wirtshaus "Zur Emerenz" und das Auswanderermuseum im Emerenz-Meier-Haus, Waldkirchen in Niederbayern
Endlich befindet sich in dem denkmalgeschützten Haus am Dorfplatz von Schiefweg, einem Ortsteil von Waldkirchen, wieder ein Wirtshaus! Ganz wie zu Emerenz Meiers Zeiten… Als der Gasthof zu verfallen drohte, schlossen sich 1997 mehrere junge Leute aus dem Ort zusammen und gründeten einen Verein, um das Haus zu retten. Seitdem werden hier wieder Hochzeiten und Gartenfeste gefeiert. Die Dorfband spielt auf, es duftet nach ofenfrischem Schweinsbraten und warmem Topfenstrudel.
1874 wurde in diesem Haus die Heimatdichterin Emerenz Meier geboren. 1906 sah sie sich wie so viele damals gezwungen, von ihrem geliebten Bayerischen Wald „ins Amerika“ zu gehen. Das kleine Auswanderer-Museum im ersten Stock thematisiert in der Ausstellung „Born in Schiefweg“ das Leben der mutigen Frau, die sich gegen Konventionen und Armut auflehnte.
Die Klosterschenke der Benediktinerabtei St. Georg in Weltenburg, Kelheim in Niederbayern
Unter sagenhaften Umständen wurde die Benediktinerabtei im 7. Jahrhundert gegründet und gilt als das älteste Kloster Bayerns. Weltenburg ist auch berühmt für die einzigartige Landschaft des Donaudurchbruchs und für die opulente Barockkirche, mit der die Gebrüder Asam ihre Zusammenarbeit begründeten.
Seit Jahrhunderten werden in der Klosterschenke Pilgerer, Reisende, Wanderer, Radfahrer, Ausflugsgäste und Reisegruppen bewirtet. Die Reinheit des Donauquell-Wassers ist bestimmt auch ein Grund, warum die Gäste das Weltenburger Barock Dunkel, das Kellerbier und den Asam Bock so lieben. Dazu gibt's Klosterkäs aus dem Allgäu, fangfrische Forellen und als Nachspeise eine Asamtorte mit einer Tasse Kloster-Kaffee.
Das Besucherzentrum im Felsenkeller (externer Link, öffnet neues Fenster)und die Ausstellung erzählen die Geschichte von der Urzeit bis heute, von den ersten Mönchszellen oder dem Leben auf der Großbaustelle des 18. Jh. für die Asamkirche.
Maisel‘s Bier-Erlebnis-Welt und Brauereimuseum, Bayreuth in Oberfranken
Über 100 Biersorten könnt ihr im Liebesbier probieren und dabei den Braumeistern von Maisel & Friends bei der Arbeit zusehen. Von fast jedem Platz habt ihr Blick auf die Brauwerkstatt, in der die Brauer an den Sudkesseln arbeiten. Und durch das große Fenster zur Küche könnt ihr das Team bei der Zubereitung von Burgern & Co. beobachten. Sogar das Brot wird in der eigenen Backstube gebacken und im Gastrogarten sitzt ihr unter dem schattigen Hopfendach.
Das Gebäude mit der Backsteinfassade von 1887 beherbergt außerdem die Maisel's Bier-Erlebnis-Welt (externer Link, öffnet neues Fenster). Hier könnt ihr erleben, wie sich das Brauhandwerk im Laufe von vier Generationen weiterentwickelt hat. Vorbei an Dampfmaschinen und Kupferkesseln führt die Tour vom Sudhaus durch die Hopfenkammer und die alte Kühlung bis hin zu einer modernen Brauwerkstatt und zur eindrucksvollen Sammlung von Biergläsern und -krügen, Emailleschildern und Bierdeckeln.
Das Schlossbräu und die Residenz Ellingen in Mittelfranken
Die Residenz und das gegenüberliegende Brauhaus sind herrschaftlich. 1815 erhielt der Feldmarschall Carl Philipp Fürst von Wrede von König Max I. Joseph Ellingen als königliches Thron- und Mannlehen. Seitdem heißen Erstgeborene des Fürstengeschlechts von Wrede alle Carl. Inzwischen sind schon die sechste und siebte Generation dabei. Die barocken Innenräume der Brauerei sind noch sehr gut erhalten: im zweischiffigen Sudhaus steht der Kupferkessel, unter dem Kreuzgratgewölb die Gärtanks.
Schön im Sommer: der Biergarten im repräsentativen Innenhof zwischen Schloss und Brauerei und der Sommerkeller, ca. zwei Kilometer entfernt und 1770 erbaut - eine tolle Location für Festivals.
Die Residenz Ellingen (externer Link, öffnet neues Fenster) war 400 Jahre lang Verwaltungsitz der größten und reichsten unter den 13 Provinzen des Deutschen Ordens. Nach dem Niedergang des Ordens entstand hier ab 1718 der barocke Schlossneubau unter dem Architekten Franz Keller. Er entwarf auch den repräsentativen Flügelbau der Brauerei, als Pendant zum Schloss. 1775 gestaltete der französische Baumeister Pierre Michel d’Ixnard die Schlosssäle im Stil des frühen Klassizismus - unter anderem entstanden aufwändige Stuckaturen. Carl Philipp Fürst von Wrede ließ 1815 einige Raumfluchten mit kostbaren Seiden- und Papiertapeten, Möbeln, Glas und Bronzen aus Paris neu ausstatten. Die Räume zählen zu den bedeutendsten Raumkunstwerken des Klassizismus in Bayern. Aber auch der Park und die barocke Schlosskirche sind absolut sehenswert.
Klosterbraugasthof und Klosterbrauereimuseum Irsee in Schwaben
Spätestens der Duft von Allgäuer Kässpatzen, Biercremesuppe, frischen Haxn und Braumeisters Leibgericht, mit Malzbrösel paniertem Schnitzel, lockt die Gäste in den Klosterbraugasthof. Die Gaststätte ist in echtes Traditionshaus mit langer Geschichte. Bereits im Mittelalter brauten die Mönche hier Bier. Im Sommer könnt ihr auch im lauschigen Biergarten sitzen - und im Klosterbräuhotel sogar übernachten.
Was bedeutet Mälzen und warum ist Hefe so wichtig? Im Klosterbrauereimuseum Irsee erfahrt ihr, wie das Bier gärt und reift. Auf der Brauerei-Führung seht ihr das Sudhaus, die Gärbottiche und das Kellergewölbe - und könnt natürlich auch die erfrischende Kloster-Weiße und den kräftigen Kloster-Urtrunk verkosten.
Radifizierte Tafernwirtschaft D’Ehrn, Freilichtmuseum Finsterau im Bayerischen Wald
Ursprünglich lag der Gasthof an einer Straßenkreuzung bei Kirchaitnach im Landkreis Regen. In der Holzstube stärkten sich Bauern, Handwerker aus der Umgebung und Fuhrleute bei Kesselfleisch, Bauernkrapfen und Bier. 1976 wurde die Tafernwirtschaft D'Ehrn (externer Link, öffnet neues Fenster)abgebrochen und 1979/80 im Freilichtmuseum wieder aufgebaut.
Zum Anwesen gehörte eine kleine Landwirtschaft, zur Selbstversorgung der Wirtsleute. Hinter dem Haus hielten sie Schweine, die mit Küchenabfällen gefüttert wurden. Über der Wirtstube war ein Tanzsaal eingerichtet. Im Unterschied zur realen Tafernwirtschaft liegt bei der "radizierten Tafernwirtschaft" dieses Recht auf dem Grundstück und kann nur bei Verkauf von Haus und Hof auf einen neuen Besitzer übergehen.
Der Stadel wurde zum Schlechtwetterspielplatz umfunktioniert. Auf der Kleinbühne in der Außergefilder Stube wird Theater gespielt und Musik gemacht. Wenn's kühler wird, könnt ihr euch am Kachelofen wärmen. Und wenn die Sonne scheint, werden die böhmisch-bairischen Schmankerl und Süßspeisen auch im Gastgarten serviert.
Egal zu welcher Jahreszeit, im Freilichtmuseum Finsterau ist immer etwas los: Feste und Märkte, Volksmusikkonzerte, Handwerksvorführungen und Aktivitäten für Kinder und Familien. Direkt vor den Toren des Museums beginnen Wander- und Radwege, die euch tief in den Böhmerwald und auf die Berge des Nationalparks führen.
Der Schafferhof-Zoigl, das Waldnaabmuseum auf Burg Neuhaus und das GEO-Zentrum, Windischeschenbach in der Oberpfalz
Wisst ihr, was ein Zoigl ist? Das ist typisch für die Oberpfalz und bezeichnet Bier, das von Privatleuten gemeinschaftlich im Kommunbrauhaus hergestellt wird. Jeder Zoiglbrauer hat natürlich sein eigenes (Geheim)Rezept, deshalb schmeckt es von Ort zu Ort und Wirt zu Wirt anders. Probieren könnt ihr es in den zahlreichen Zoigl-Wirtschaften wie auch dem Schafferhof. Die Oberpfälzer Zoiglkultur wurde übrigens 2018 als Immaterielles Kulturerbe anerkannt.
Gemeinsam mit der Burg Neuhaus ließ Landgraf Ulrich I. von Leuchtenberg um 1300 den Schafferhof errichten. Er sollte unter anderem die Burgbewohner mit frischen Lebensmittel versorgen. Der Name kommt vom "An-schaffen", d. h. der Verwalter des Hofes teilte die Arbeit der Ortsansässigen ein, die noch zu Frondiensten und anderen Leistungen gezwungen waren.
Seit 1415 ist auf dem Schafferhof auch das Zoiglbraurecht zu Hause. Ideal zum Kühlen waren die in den Stein geschlagenen Felsenkeller. Das Quellwasser kommt aus dem eigenen Brunnen. 1515 fielen die Burg einschließlich Schafferhof und Ländereien an das Kloster Waldsassen. Seit 1799 ist es in Privatbesitz - seit 1999 sorgt die Familie Fütterer für Bier und leckeres Essen.
Der 200 Jahre alte Dielenboden in der Zoiglstube kommt aus einem Schloss in der Nähe und das Inventar stammt aus alten Dorfwirtshäusern. Auch der alte Backofen von 1925 wurde erhalten. Die Tenne, wo früher das Stroh gelagert wurde, wird heute für Konzerte, Lesungen und Theater genutzt.
Wenn ihr mehr zur Zoigl-Tradition erfahren wollt: In der Burg Neuhaus ist heute das Waldnaabmuseum untergebracht. Es erzählt die Geschichte dieser besonderen Natur- und Kulturlandschaft.
Ganz was anderes: nicht weit vom Schafferhof steht der höchste Landbohrturm der Erde. 83 Meter hoch ragt er in die Oberpfälzer Landschaft und ist bis zur Bohrplattform begehbar. Das Forschungsprojekt Kontinentales Tiefbohrprogramm der Bundesrepublik Deutschland („KTB“) bildet die Grundlage der Ausstellung des GEO-Zentrums an der KTB (externer Link, öffnet neues Fenster). Ihr könnt die Bohrgerätschaften aus der Bohranlage und die Bohrkerne aus dem 9.101 m tiefen Forschungsbohrloch anschauen. Außerdem geht es auch um Klimawandel, Energiegewinnung und die Nutzung und Nachhaltigkeit von Rohstoffen wie Sand, Graphit und Seltenen Erden.
Die Brauerei Weihenstephan und das Stadtmuseum Freising in Oberbayern
Weihenstephan in Freising darf bei unserer Tour natürlich nicht fehlen: die ehemalige Klosterbrauerei gilt als Wiege der Braukunst. Auf dem Weihenstephaner Berg über der Altstadt thronen das alte Kloster und die heutige Staatsbrauerei Weihenstephan. Vom Biergarten habt ihr einen atemberaubender Blick auf den Freisinger Dom, das Freisinger Moos und die Alpen in der Ferne.
Hier wird aber nicht nur seit fast 1000 Jahren Bier gebraut und getrunken, sondern seit 1895 auch geforscht und gelehrt. Seit 1930 gehört die Hochschule zur Technischen Universität München. Die Versuchs- und Lehrbrauerei in Eisenbaukonstruktion, die nach 1905 unter Mitwirkung der Gebrüder Rank entstand, ist bis heute ein Freisinger Landmark.
Das Stadtmuseum Freising im barocken Vierflügelbau bietet eine faszinierende Zeitreise durch die Stadtgeschichte. Rund 350 Objekte – von archäologischen Funden bis zu Kunstwerken – und interaktive Medienstationen laden dazu ein, Freisings reiche Vergangenheit zu entdecken.
Das neu sanierte Diözesanmuseum Freising zeigt eine beeindruckende Sammlung von frühbyzantinischen Werken bis zu zeitgenössischer Kunst. Schwerpunkte sind kirchliche Kunst des Spätmittelalters, bedeutende Werke des Barocks und Rokoko sowie Artefakte der Liturgie und Klosterkultur.
Und welches ist euer Lieblings-Wirtshaus oder euer Lieblings-Biergarten mit Geschichte? Verratet uns eure Geheimtipps und schreibt sie uns gern auf Instagram oder Facebook.
Nathalie Schwaiger und Bianca Faletti