Mit 27 setzte sie bei ihrem Vater endlich durch, dass sie Mathematikunterricht nehmen durfte und 1892 war sie die erste Frau, die in die Akademie der Wissenschaften aufgenommen wurde. 2009 bekam sie einen Platz in der Ruhmeshalle an der Bavaria.
Die spannende Geschichte der Wittelsbacher Forscher-Prinzessin ist unser Beitrag zur Blogparade „Frauen und Erinnerungskultur #femaleheritage“, die von der Monacensia im Hildebrandhaus in Kooperation mit Dr. Tanja Praske von KULTUR – MUSEUM – TALK organisiert wird.
Zu weiteren Artikeln und interessanten Frauen geht es hier (externer Link, öffnet neues Fenster)!
Vor genau 170 Jahren, am 12. November 1850, kam "Thereschen", wie sie von ihrer Familie genannt wurde, in der Münchner Residenz zur Welt. Sie war die Tochter des Prinzregenten Luitpold von Bayern und dessen Ehefrau Auguste Ferdinande von Österreich und damit die Enkelin des Königs Ludwig I. von Bayern.
Die kleine Prinzessin wuchs zusammen mit ihren drei Brüdern im Palais Leuchtenberg am Odeonsplatz auf. Die Kinder wurden von der Mutter liebevoll, praktisch und streng katholisch erzogen. Pflichtbewusstsein, Pünktlichkeit, Ordnung und Willenskraft wurden in der Familie großgeschrieben. Unterrichtet wurden die Kinder durch namhafte Privatlehrer und Gelehrte zuhause, wie es damals üblich war. Therese fiel dabei schon früh durch ihre Wissbegier auf. Zu ihrem Glück durfte sie zusammen mit ihrem jüngeren Bruder Arnulf lernen. Sie liebte Tiere, auch exotische wie Murmeltiere, Fledermäuse oder Schildkröten, und interessierte sich für Pflanzen und fremde Kulturen. Mathematik und Latein allerdings waren ihren Brüdern vorbehalten - sehr zu ihrem Bedauern. Auch studieren durfte die Prinzessin nicht. Erst 1903 öffnete Thereses Vater, Prinzregent Luitpold, die bayerischen Universitäten für Frauen.
Die Prinzessin war eine absolute Leseratte. Zwar schränkte ihre Mutter die Lektüre von Romanen stark ein, doch Reiseberichte und Geschichtswerke verschlang Therese geradezu. Ihre Lieblingslektüre waren die Forschungsberichte von Alexander von Humboldt. Die kleine Wittelsbacherin war auch besonders sprachbegabt. Sie erlernte 12 Sprachen in Wort und Schrift, darunter auch Russisch, Schwedisch und Neugriechisch.
Als Therese 13 war, starb ihre geliebte Mutter - das Ende der unbeschwerten Kindheit. Die Prinzessin versuchte, ihre Rolle in der Familie zu übernehmen und trat auch oft als Vermittlerin zwischen den Brüdern und dem Vater auf. Vor allem aber wurde nun von ihr erwartet, dass sie repräsentative Pflichten an der Seite von Luitpold übernehmen sollte - was ihr absolut nicht leicht fiel.
Dennoch erfüllte sie diese Aufgabe 48 Jahre lang, bis zum Tod des Vaters.
Einige Monate nach ihrer Mutter musste Therese sich auch von ihrem Cousin Ludwig II. verabschieden. Ein Verlust, der doppelt tragisch für sie war, denn nach dem mysteriösen Tod des "Kini" übernahm Thereses Vater, Prinz Luitpold, die Regentschaft in Bayern. Was die Lebensumstände der jungen Frau grundsätzlich änderte: ihr Vater hatte kaum mehr Zeit, Therese fühlte sich zunehmend überfordert und einsam.
Zudem entwickelte die Wittelsbacher-Prinzessin eine besonders starke Zuneigung zu Ludwigs Bruder Otto, der aber wegen einer psychischen Erkrankung für regierungsunfähig erklärt wurde. Eine tiefe emotionale Bindung verband die beiden. Ottos Mutter versprach Therese am Sterbebett, sie werde sich um Otto kümmern - zwei Mal im Jahr wurde ihr offiziell erlaubt, den kranken Vetter im Schloss Fürstenried zu besuchen. Diese unglückliche Liebe hat auch dazu geführt, dass die Prinzessin alle Heiratskandidaten entschieden ablehnte. Mit klugen Strategien hat sie es geschafft, sich dem Druck der Familie zu entziehen.
Statt sich der Familie und den üblichen Pflichten einer Frau im späten 19. Jahrhundert zu widmen, folgte Therese ihren eigenen Interessen: Natur- und Sozialwissenschaften, Geografie, Geologie, Botanik, Zoologie und Ethnologie. Ihr umfangreiches Wissen erwarb sie in jahrelangem Selbststudium, besuchte Vorträge an der Universität und studierte die naturwissenschaftlichen Sammlungen.
Mit 42 Jahren wurde Therese von Bayern zum Ehrenmitglied der Geographischen Gesellschaft sowie der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ernannt. Fünf Jahre später erhielt sie die Ehrendoktorwürde der Philosophischen Fakultät der Universität München. Solche Auszeichnungen waren für eine Frau zu dieser Zeit eine absolute Ausnahme. Bis heute wird von der „Prinzessin Therese von Bayern-Stiftung“ ein Preis verliehen, der junge Wissenschaftlerinnen an der Universität München fördert.
Eine weitere ihrer Leidenschaften war: Reisen. Denn so konnte die freiheitsliebende Prinzessin den Konventionen des Hofes entwischen. Ihre ersten Reisen hatte sie bereits als Kind mit der Mutter nach Italien unternommen. Weitere Destinationen folgten: mit 21 Jahren zusammen mit ihrem Bruder Leopold Südeuropa und Nordafrika, später die skandinavischen Länder Dänemark, Schweden und Norwegen und das russische Zarenreich. Ihre Erfahrungen schilderte die Prinzessin in Büchern: „Über den Polarkreis“ und „Reiseeindrücke und Skizzen aus Russland“, die sie auch selbst illustrierte und unter dem Pseudonym Th. von Bayer veröffentlichte.
Die abenteuerlustige Wittelsbacherin plante jede Reise akribisch, studierte monatelang Karten, Fahrpläne und Reiseberichte. Sie reiste inkognito unter dem Pseudonym "Gräfin Elpen", begleitet von maximal drei Vertrauten, darunter waren ihr Diener Max Auer, der Reisemarschall Maximilian von Speidel und eine Hofdame. Therese war sich für nichts zu schade, sie paddelte im Einbaum über Flüsse, erklomm Berge oder schlief eingerollt in einen Teppich bei Kalmücken, einem Nomadenvolk in der westmongolischen Steppe. Besonders genoss sie stürmische Seepassagen - das aufgewühlte Meer, Wellen und die entfesselten Naturgewalten faszinierten sie.
Ihre längsten Forschungsreisen führten Therese nach Nord- und Südamerika. In Rio de Janeiro traf sie den letzten brasilianischen Kaiser Dom Pedro und unternahm von dort Abstecher in die Tropenwelt des Rio Negro und des Amazonas. Weder handtellergroße Spinnen, noch Moskitos, Pflanzenlawinen, die unerträgliche, feuchte Hitze oder Giftschlangen konnten sie schrecken. Sie aß Gürteltierbraten, Affe, Schildkröte und indianischen Maisbrei.
1893 startete sie in Chicago und reiste über die Karibik, Venezuela, Kolumbien, Ecuador und Peru weiter nach Bolivien, Chile bis nach Buenos Aires in Argentinien. Von dieser Expedition brachte Therese eine umfangreiche Sammlung zurück - Pflanzen, Schmetterlinge, Kleintiere, Insekten und Vögel. Auch 91 Fischarten gehörten zur Ausbeute der Expedition, darunter acht bis dahin unbekannte Arten.
Während der Reise lernte die eifrige Wissenschaftlerin bisher in Europa noch unbekannte Völker wie die Pueblo Indianer in Nordamerika, Amazonas-Indianer in Brasilien oder Indios in Peru und Bolivien kennen. Die Aufzeichnungen, Tagebücher und der Nachlass der Prinzessin werden fast vollständig in München aufbewahrt. Ihre Bibliothek mit ca. 11.000 Exemplaren wurde von der Bayerischen Staatsbibliothek übernommen. Der gesamte zoologische Nachlass wurde 1926 testamentarisch der Zoologischen Staatssammlung überlassen. Ihre reiche ethnologische Sammlung befindet sich heute im Museum Fünf Kontinente in München. Zum Beispiel dieser indianische Nabelschnurbehälter, der das ganze Leben am Körper getragen wurde. In die kleinen, mit bunten Glasperlen bestickten Ledertaschen nähten die Mütter die Nabelschnur ihrer Neugeborenen ein - in Eidechsenform für Jungen oder Schildkrötengestalt für Mädchen.
Nach dem Tod ihres Vaters 1912 reiste Therese nicht mehr und widmete sich stattdessen sozialen Aufgaben. Sie engagierte sich im Katholischen Frauenbund und setzte sich für die Verbesserung der Mädchen- und Frauenbildung ein. Der allgemeinen Kriegseuphorie am Anfang des Ersten Weltkrieges und der politischen Rolle Deutschlands stand Therese sehr kritisch gegenüber. Sie zog sich in ihre Villa Am See in Lindau zurück, von wo sie das Ende der Monarchie in Bayern verfolgte. Zunehmende gesundheitliche Probleme begleiteten ihre letzten Jahre. Am 19. September 1925 starb die furchtlose Prinzessin im Alter von 74 Jahren. Sie wurde in der Theatinerkirche in München beigesetzt.
Erst im April 2009 wurde Therese in die Ruhmeshalle aufgenommen, die von ihrem Großvater gebaut wurde, um bedeutende Persönlichkeiten des Königreichs Bayern zu ehren.
Zum Weiterlesen: "Ich habe mich vor nichts im Leben gefürchtet." Die ungewöhnliche Geschichte der Therese Prinzessin von Bayern, von Hadumod Bußmann (Insel Taschenbuch Verlag)
Die Geschichte von einer berühmten Wittelsbacherin und Verwandten von Therese, von Sisi und ihren Schwestern könnt ihr in unserem Blogbeitrag nachlesen!
Frauenpower - weitere Museen und Ausstellungen
Wir wollten euch weitere Museen und Ausstellungen zum Thema nicht vorenthalten: hier könnt ihr Künstlerinnen aus der Gegenwart und besondere Frauen aus der Geschichte erleben.
Museen
Highlight
Ania Hillenbrand, Nathalie Schwaiger & Theresa Geßler