Langsam, aber stetig steigt der Spannungspegel. Es liegt ein ahnungsvolles, besonderes Flirren in der Luft in der Zeit, bevor es losgeht, eine ganz besondere Stimmung… Die Landshuter Fürstenhochzeit - die in Landshut niemand so nennt - ist ein Fest, das große Teile der Stadtgesellschaft mitzieht und identitätsstiftend wirkt. Die nächste Aufführung der "Landshuter Hochzeit 1475" (externer Link, öffnet neues Fenster) findet vom vom 25.06. bis 18.07.2027 statt!
Vor der Hochzeit ist nach der Hochzeit, das gilt – hoffentlich in aller Regel – nicht im normalen Leben. Aber in Landshut, der altbayerischen Herzogsstadt, die vor München Regierungssitz Bayerns war, gilt dies allemal. Zumindest seit 1902, dem Jahr der Gründung des Vereins "Die Förderer", der mit der Landshuter Fürstenhochzeit 1475 ein Historienspiel ins Leben rief, das sich heute zum größten historischen Fest Europas entwickelt hat.
Ich selbst bin als Jugendliche zum ersten Mal mitgelaufen, im großen Tross der Edeldamen mit klopfendem Herzen und dem obligatorischen Buchskranz um die Stirn.
Seitdem hat mich der LaHo-Virus nicht mehr losgelassen. Im Jahr 2001 war ich dann, hochschwanger, zum ersten Mal bei den Falknern, der Gruppe, der ich bis heute angehöre - einmal Falknerin, immer Falknerin.
Ich erinnere mich an meine Kostümanprobe damals. Der Tanzmeister des Tanzspiels, ein europaweit bekannter Fachmann für mittelalterlichen Tanz und Kostüm, erklärte, wie schön es sei, dass man endlich mal eine gotische Figurenlinie zu Gesicht bekäme! Er war ein bisschen enttäuscht, dass sich unter der Wölbung ein Kind verbarg …
Aber nun zur Landshuter Hochzeit 2023!
Wenn man in diesen Frühlingstagen durch die Stadt geht, sind die Anzeichen unübersehbar: Die Baugerüste vor den Altstadthäusern fallen, die jahrelang verhüllte Residenz im Herzen der Stadt erstrahlt wie zu ihrer Erbauungszeit um 1540.
Auf dem Zehrplatz, der ein riesiges Areal zwischen Altstadt und Isar umspannt, haben die Aufbauarbeiten längst begonnen. Wann immer man vorüber radelt, schälen sich deutlicher die prägenden Gebäude heraus: Die Fürstentribüne, die unzähligen einzelnen Häuser und Hütten der einzelnen Gruppen … und wenn ich Zeit habe, bleibe ich kurz stehen und sehe nach, ob vielleicht das Haus der Falkner auch schon Gestalt annimmt.
Und dann beginnt eine besondere Zeit – vielleicht die schönste?
Die Vorbereitungen und das langsame, behutsame Eingewöhnen der Falken an die Landshuter Umgebung. Tag um Tag verbringen wir Falkner lange Zeit mit ihnen, gewöhnen sie an Pferd und Reiter, an das Tragen auf der Faust - das sie allerdings lieben, weil es sie an einen Ast erinnert, von dem aus sie ihre Umgebung betrachten können.
Nach vielen, vielen Stunden zwischen Training und Ruhe, zwischen aufwendigen Vorbereitungen und Mußestunden – aber immer mit Falke! - ist es da:
Das erste Wochenende!
Beim Nachdenken darüber, welches Erleben sich mir unauslöschlich eingebrannt hat, wurde mir deutlich, dass es ihn wirklich gibt, diesen einen, wunderbaren Moment, in dem sich alles bündelt, was ich an der Landshuter Hochzeit liebe:
Das ist der kurze Moment, wenn sich am Sonntag der ganze Hochzeitszug in Bewegung setzt und man dann auf einmal selbst an der Stelle steht, wo zur Zeit der Reichen Herzöge, der Blütezeit Bayern-Landshuts, das Münchner Tor war:
Am Eingang der historischen Stadt, am höchsten Punkt des Dreifaltigkeitsplatzes. Die Kirchenglocken läuten, die Altstadt – die wirklich so heißt – ist voll mit abertausenden Menschen und liegt in ganzer Pracht vor einem.
Man steht hier an einer Stelle, die man im gewöhnlichen Leben niemals einnimmt, weil man sie mit Auto oder Fahrrad rasch durchquert: mitten auf der Straße. Und genau jetzt, genau an diesem Punkt erkennt man, mit welcher Meisterschaft dieser einzigartige Straßenzug angelegt wurde.
Mehr als 130 Meter hoch reckt sich zur rechten der Ziegelturm der Basilika St. Martin in die Höhe – er bestimmt neben der Burg Trausnitz die große Horizontlinie. Beiden zu Füßen dann die prächtigen Bürgerhäuser, die Bühne der alten Stadt, auf der die mehr als zweitausend ‚Hochzeiter‘ und die Gäste das Fest feiern.
Hans Kratzer schreibt dazu in seinem wunderbaren Buch "Zeitlang", das er gemeinsam mit dem Fotografen Sebastian Beck herausgegeben hat: "Gefühlsmäßig kann ein Mensch der Jetztzeit nicht tiefer in das Mittelalter eintauchen als beim Festspiel ‚Landshuter Hochzeit 1475‘, das … an die prunkvolle Vermählung der polnischen Königstochter Hedwig mit dem Herzogssohn Georg erinnert. Eine europäische Liebelei, in der Jetztzeit und Vergangenheit in einer grandiosen Dichte verwoben sind."

Die Geschichte der Landshuter Hochzeit
Die Hochzeit am 14. und 15. November 1475 war ein Ereignis von europäischer Dimension und soll eines der üppigsten Feste des ausgehenden Mittelalters gewesen sein: Hedwig, Tochter König Kasimirs IV. von Polen und Elisabeths von Habsburg, heiratete den Sohn des Herzogs von Bayern-Landshut, Georg den Reichen. Die Allianz beider Häuser war ein großes politisches Ereignis und zog hochrangige Gäste, darunter Kaiser Friedrich III. und seinen Sohn Maximilian I. (Kaiser ab 1508) in die beschauliche Herzogstadt an an der Isar.
Eine Stadt spielt Mittelalter - das historische Festspiel wird seit 1903 aufgeführt. Vier Wochenenden lang dauern jeweils die Feierlichkeiten, bei denen etwa 2.500 Landshuter mitspielen. Mit akribischer Hingabe zum Detail inszenieren sie das Fest und begeistern nicht nur das Publikum, sondern auch Historiker und Experten. Seit 2018 ist die „Landshuter Hochzeit 1475“ sowohl bayerisches als auch deutsches immaterielles Kulturerbe.
Der krönende Abschluss für die TeilnehmerInnen ist nicht etwa der letzte der vier Hochzeitssonntage, sondern der Gottesdienst am Montagabend danach, bei dem sich alle Mitwirkenden und Freunde noch einmal zu einem großen Dankgottesdienst treffen. Zu dem kommen übrigens alle zu Fuß – mit einer Ausnahme: Den eisernen Rittern, die in ihren bis zu 60 kg schweren Rüstungen von der Laderampe eines LKW steigen, um die Kathedrale zu betreten...
Insidertipps
Das solltet ihr nicht verpassen, wenn ihr die LaHo mitfeiern wollt:
- am Sonntagvormittag auf den Zehrplatz gehen und ein Mittagspicknick mitnehmen.
- samstagnachmittags im Hof der Residenz den Musikgruppen lauschen
- dem Trubel entfliehen und in der Kirche St. Jodok 'ad libitum' und 'musica cumpaneia' lauschen
Die nächste Landshuter Hochzeit wird vom 25.06. bis 18.07.2027 gefeiert. Karten, Programm und Infos unter: www.landshuter-hochzeit.de (externer Link, öffnet neues Fenster)
Was ihr sonst noch in Landshut erleben könnt
Unbedingt ansehen solltet ihr euch:
- die Burg Trausnitz – Teil des Netzwerks der Burg.Museen.Bayern – samt ihrem hängenden Krokodil in der Wunderkammer
- die Martinskirche mit dem höchsten Backsteinturm der Welt (130,1 m)
- den idyllischen Hofgarten, wo früher Maulbeerbäume und Wein wuchsen