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Nach der Hochzeit ist vor der Hochzeit!

Woran merkt der aufmerksame Betrachter, dass die nächste Landshuter Hochzeit, kurz LaHo genannt, bald stattfinden wird? Ein untrügliches Vorzeichen sind die Männer im täglichen Straßenbild, die ihr nicht immer üppiges Haupthaar auf einmal schulterlang tragen. Dann die Anzahl der Buchskranzl, die in den Monaten vor dem Fest überall exponentiell zunimmt.
Eine Landshuterin und Insiderin gewährt uns einen seltenen Blick hinter die Fest-Kulissen...

Ein Gastbeitrag von Stefanje Weinmayr

Eine Frau in historischer Kleidung mit Pelzkragen und Hut, hält auf der linken Hand einen Falken, rechts winkt sie mit einem Pflanzenkranz.
Letzter Hochzeitssonntag 2017 © Archiv Landshuter Zeitung
Schwarz-weiß Bilder der Landshuter Hochzeit
Impressionen, eingefangen von Karl-Heinz Rothenberger. Foto links: das "Kind unter dem Kleid" © Karl-Heinz Rothenberger, aus dem Buch "Alles Hochzeit", Arcos Verlag
Zwei Falkner auf der Wiese
Täglicher Falkner-Spaziergang auf der Turnierwiese © privat

Langsam, aber stetig steigt der Spannungspegel. Es liegt ein ahnungsvolles, besonderes Flirren in der Luft in der Zeit, bevor es losgeht, eine ganz besondere Stimmung... Endlich ist es wieder soweit: die nächste Aufführung der "Landshuter Hochzeit 1475" (externer Link, öffnet neues Fenster) findet vom 30. Juni bis 23. Juli 2023 statt! Die Landshuter Fürstenhochzeit - die in Landshut niemand so nennt - ist ein Fest, das große Teile der Stadtgesellschaft mitzieht und identitätsstiftend wirkt.

Vor der Hochzeit ist nach der Hochzeit, das gilt – hoffentlich in aller Regel – nicht im normalen Leben. Aber in Landshut, der altbayerischen Herzogsstadt, die vor München Regierungssitz Bayerns war, gilt dies allemal. Zumindest seit 1902, dem Jahr der Gründung des Vereins "Die Förderer", der mit der Landshuter Fürstenhochzeit 1475 ein Historienspiel ins Leben rief, das sich heute zum größten historischen Fest Europas entwickelt hat.

 

Gruppe von Falknern
Die Gruppe der Falkner beim Training © privat
Trommer und Falkner der Landshuter Hochzeit
Die Trommler bringen den Falken ein Ständchen auf dem Zehrplatz - den Falknern natürlich auch © privat
Falke und Falknerin
Ein stolzer Falke mit ebensolcher Falknerin © privat
Falke auf Faust
Ein Falke 'auf der Faust' - wie man in der Falknerei sagt © privat
Falknerhandschuhe
Wichtiges (wichtigstes) Utensil:ein stabiler Falkenhandschuh © privat

Ich selbst bin als Jugendliche zum ersten Mal mitgelaufen, im großen Tross der Edeldamen mit klopfendem Herzen und dem obligatorischen Buchskranz um die Stirn.

Seitdem hat mich der LaHo-Virus nicht mehr losgelassen. Im Jahr 2001 war ich dann, hochschwanger, zum ersten Mal bei den Falknern, der Gruppe, der ich bis heute angehöre - einmal Falknerin, immer Falknerin.

Ich erinnere mich an meine Kostümanprobe damals. Der Tanzmeister des Tanzspiels, ein europaweit bekannter Fachmann für mittelalterlichen Tanz und Kostüm, erklärte, wie schön es sei, dass man endlich mal eine gotische Figurenlinie zu Gesicht bekäme! Er war ein bisschen enttäuscht, dass sich unter der Wölbung ein Kind verbarg …

 

Ein junges Hochzeitspaar in historischen Gewändern, sie trägt eine goldene Krone
Hoch lebe das Brautpaar 2023: Katharina Mottinger, 19, als Prinzessin Hedwig, Tochter des Königs von Polen und Luis Truhlar, 22, als Herzog Georg der Reiche von Bayern-Landshut © "Die Förderer" e. V.
Ritterturnier auf einer Wiese, zwei Reiter in Rüstung begegnen sich mit der Lanze
Möge das Turnier beginnen... © "Die Förderer" e. V.
Vier junge Mädchen in historischen Kostümen sitzen am Lagerfeuer
Lagerfeuer-Stimmung... © "Die Förderer" e. V.
Aufmarsch von Soldaten in historischen, rot-schwarzen Kostümen auf der geschmückten Festmeile
Aufmarsch der Leibgarde © "Die Förderer" e. V.
Zwei Männer in glänzender Ritterrüstung kämpfen mit Schwertern
Edle Ritter messen sich im Schwertkampf © "Die Förderer" e. V.

Aber nun zur Landshuter Hochzeit 2023!

Wenn man in diesen Frühlingstagen durch die Stadt geht, sind die Anzeichen unübersehbar: Die Baugerüste vor den Altstadthäusern fallen, die jahrelang verhüllte Residenz im Herzen der Stadt erstrahlt wie zu ihrer Erbauungszeit um 1540.

Auf dem Zehrplatz, der ein riesiges Areal zwischen Altstadt und Isar umspannt, haben die Aufbauarbeiten längst begonnen. Wann immer man vorüber radelt, schälen sich deutlicher die prägenden Gebäude heraus: Die Fürstentribüne, die unzähligen einzelnen Häuser und Hütten der einzelnen Gruppen … und wenn ich Zeit habe, bleibe ich kurz stehen und sehe nach, ob vielleicht das Haus der Falkner auch schon Gestalt annimmt.

Musiker in historischen Kostümen, die Trompete spielen
Die Fanfaren kündigen die Braut an © "Die Förderer" e. V.
Der Hochzeitszug naht: an den vier Sonntagen im Juli jeweils von 14-16 Uhr © Die Förderer e. V.
Menge von Menschen in historischen Gewändern mit Lanzen und Speeren
Die Menge drängt zur Burg Trausnitz © "Die Förderer" e. V.
Menschen in historischen Kostümen sitzen beisammen und machen ausgelassen Musik
Fröhliches Lagerleben © "Die Förderer" e. V.

Und dann beginnt eine besondere Zeit – vielleicht die schönste?

Die Vorbereitungen und das langsame, behutsame Eingewöhnen der Falken an die Landshuter Umgebung. Tag um Tag verbringen wir Falkner lange Zeit mit ihnen, gewöhnen sie an Pferd und Reiter, an das Tragen auf der Faust -  das sie allerdings lieben, weil es sie an einen Ast erinnert, von dem aus sie ihre Umgebung betrachten können.

Falknerin und Falkner zu Pferd
Im sonntäglichen Hochzeitszug - Falknerin und Falkner zu Pferd © privat
Falknerin und Falke
Ein stiller Moment © privat
Gruppe von Menschen in historischen Kostümen mit Instrumenten
Und sie feierten ausgelassen, 24 Tage und 24 Nächte... © Pixabay
Posaunist in historischem Kostüm mit grün-gelber Kappe
Überall in der Stadt wird gefeiert © erlebe.bayern - Tobias Gerber

Nach vielen, vielen Stunden zwischen Training und Ruhe, zwischen aufwendigen Vorbereitungen und Mußestunden – aber immer mit Falke! - ist es da:

Das erste Wochenende!

 

Landshuterinnen und Landshuter in historischen Kostümen eilen lachend zum Festzug
Über 2500 LandshuterInnen wirken beim Festspiel mit © erlebe.bayern - Tobias Gerber
Von der Sonne angestrahlter roter Backsteinturm der Kirche Sankt Martin
Die Basilika St. Martin mit dem höchsten Ziegelkirchturm der Welt
Die weiße Burg Trausnitz auf einem Hügel über der Altstadt von Landshut
Die Burg Trausnitz thront über der Altstadt von Landshut © erlebe.bayern - Tobias Gerber

Beim Nachdenken darüber, welches Erleben sich mir unauslöschlich eingebrannt hat, wurde mir deutlich, dass es ihn wirklich gibt, diesen einen, wunderbaren Moment, in dem sich alles bündelt, was ich an der Landshuter Hochzeit liebe:

Das ist der kurze Moment, wenn sich am Sonntag der ganze Hochzeitszug in Bewegung setzt und man dann auf einmal selbst an der Stelle steht, wo zur Zeit der Reichen Herzöge, der Blütezeit Bayern-Landshuts, das Münchner Tor war:

Am Eingang der historischen Stadt, am höchsten Punkt des Dreifaltigkeitsplatzes. Die Kirchenglocken läuten, die Altstadt – die wirklich so heißt – ist voll mit abertausenden Menschen und liegt in ganzer Pracht vor einem.

Man steht hier an einer Stelle, die man im gewöhnlichen Leben niemals einnimmt, weil man sie mit Auto oder Fahrrad rasch durchquert: mitten auf der Straße. Und genau jetzt, genau an diesem Punkt erkennt man, mit welcher Meisterschaft dieser einzigartige Straßenzug angelegt wurde.

Mehr als 130 Meter hoch reckt sich zur rechten der Ziegelturm der Basilika St. Martin in die Höhe – er bestimmt neben der Burg Trausnitz die große Horizontlinie. Beiden zu Füßen dann die prächtigen Bürgerhäuser, die Bühne der alten Stadt, auf der die mehr als zweitausend ‚Hochzeiter‘ und die Gäste das Fest feiern.

Hans Kratzer schreibt dazu in seinem wunderbaren Buch "Zeitlang", das er gemeinsam mit dem Fotografen Sebastian Beck herausgegeben hat: "Gefühlsmäßig kann ein Mensch der Jetztzeit nicht tiefer in das Mittelalter eintauchen als beim Festspiel ‚Landshuter Hochzeit 1475‘, das … an die prunkvolle Vermählung der polnischen Königstochter Hedwig mit dem Herzogssohn Georg erinnert. Eine europäische Liebelei, in der Jetztzeit und Vergangenheit in einer grandiosen Dichte verwoben sind."

Wandfresko, das den historischen Hochzeitszug 1745 in Landshut zeigt mit Kutschen, Rittern und Gefolge
Auf dem Fresko im Rathaussaal ist der prächtige Hochzeitszug zu sehen © erlebe.bayern - Tobias Gerber

Die Geschichte der Landshuter Hochzeit

Die Hochzeit am 14. und 15. November 1475 war ein Ereignis von europäischer Dimension und soll eines der üppigsten Feste des ausgehenden Mittelalters gewesen sein: Hedwig, Tochter König Kasimirs IV. von Polen und Elisabeths von Habsburg, heiratete den Sohn des Herzogs von Bayern-Landshut, Georg den Reichen.  Die Allianz beider Häuser war ein großes politisches Ereignis und zog hochrangige Gäste, darunter Kaiser Friedrich III. und seinen Sohn Maximilian I. (Kaiser ab 1508) in die beschauliche Herzogstadt an an der Isar.

Eine Stadt spielt Mittelalter - das historische Festspiel wird seit 1903 aufgeführt. Vier Wochenenden lang dauern jeweils die Feierlichkeiten, bei denen etwa 2.500 Landshuter mitspielen. Mit akribischer Hingabe zum Detail inszenieren sie das Fest und begeistern nicht nur das Publikum, sondern auch Historiker und Experten.  Seit 2018 ist die  „Landshuter Hochzeit 1475“ sowohl bayerisches als auch deutsches immaterielles Kulturerbe.

 

Kammerorchester in historischen Kostümen spielt vor einem reich verzierten Altar in der Kirche
Der Abschlussgottesdienst Laudate Dominum © "Die Förderer" e. V.
Wiesenprobe kurz vor dem ersten Wochenende
Ohne Falken,aber mit dem obligatorischen Falkner-T-Shirt: Wiesenprobe - jetzt läuft der Countdown © privat

Der krönende Abschluss für die TeilnehmerInnen ist nicht etwa der letzte der vier Hochzeitssonntage, sondern der Gottesdienst am Montagabend danach, bei dem sich alle Mitwirkenden und Freunde noch einmal zu einem großen Dankgottesdienst treffen. Zu dem kommen übrigens alle zu Fuß – mit einer Ausnahme: Den eisernen Rittern, die in ihren bis zu 60 kg schweren Rüstungen von der Laderampe eines LKW steigen, um die Kathedrale zu betreten...

Insidertipps

Das solltet ihr nicht verpassen, wenn ihr die LaHo 2023 mitfeiern wollt:

  • am Sonntagvormittag auf den Zehrplatz gehen und ein Mittagspicknick mitnehmen. 
  • samstagnachmittags im Hof der Residenz den Musikgruppen lauschen
  • dem Trubel entfliehen und in der Kirche St. Jodok 'ad libitum' und 'musica cumpaneia' lauschen

Die Landshuter Hochzeit 2023 wird vom 30. Juni bis 23. Juli gefeiert. Karten, Programm und Infos unter: www.landshuter-hochzeit.de (externer Link, öffnet neues Fenster)

Was ihr sonst noch in Landshut erleben könnt

Stadtansicht und in der Ferne ist die Burg Trausnitz zu sehen
Was wäre Landshut ohne seine Burg? © erlebe.bayern - Tobias Gerber
Blick auf einen Turm der Burg Trausnitz und die Stadt Landshut
Vom Burghügel hat man den besten Überblick © erlebe.bayern - Florian Trykowski
Bunte Hausfassaden spiegeln sich im Fluss Isar
Wunderschön: ein Spaziergang an der Isar © erlebe.bayern - Tobias Gerber
Blick auf die Festungsmauern der Burg
Wehrhaft: die Burganlage wacht über die Stadt © erlebe.bayern - Tobias Gerber

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