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Rauten, Kerzen und Maria - alle Wege führen auf den Bogenberg

Wisst ihr, wo die berühmten bayerischen Rauten eigentlich ihren Ursprung haben? Die Antwort darauf findet ihr auf dem legendären Bogenberg, 432 Meter über der niederbayerischen Donauebene bei Straubing. Der Hügel trägt auch den Beinamen „Heiliger Berg Niederbayerns“ und ist immer an Pfingsten Ziel einer spektakulären, 500 Jahre alten Marienwallfahrt - 75 Kilometer weit wandern die Pilgerer und tragen eine 50 Kilo schwere, über zehn Meter hohe "Kerze" aus einem Holzstamm...

Ein Panoramablick zum Niederknien: der "heilige Berg Niederbayerns" ist als Marienwallfahrtsort berühmt. © Kreismuseum Bogenberg

So wie ein weiß-blauer Himmel zu einem schönen Ausflugstag gehört, so untrennbar ist Bayern mit seinen Nationalfarben verbunden. Die bajuwarischen Rauten zieren Bierkrüge, Tischdecken und Staatsgebäude. Doch so allgegenwärtig dieses Motiv in der bayerischen Kultur ist, so unbekannt ist seine Geschichte. Wie heißt es noch am Ende der ersten Strophe der Bayernhymne? „[Gott] erhalte dir die Farben Seines Himmels, weiß und blau!“ Die Geschichte der Rauten erfahrt ihr im Kreismuseum Bogenberg, einem ehemaligen Pfarrstadel aus dem 19. Jahrhundert. Es liegt gleich neben der berühmten Wallfahrtskirche.

Wenn ihr es hinauf auf den Bogenberg geschafft habt, müsst ihr natürlich erst einmal das Panorama genießen! Der weite Blick vom Berggipfel aus lockte auch die Bogenberger Mönche an, die dort zu gemeinsamen Wetterbeobachtungen zusammenkamen. Wenn ihr euch satt gesehen habt, kann es mit der regionalgeschichtlichen Entdeckungstour losgehen: Das Kreismuseum Bogenberg, im Jahr 1909 als Heimatmuseum gegründet, wurde zu seinem 100. Geburtstag 2009 mit einer neu gestalteten Dauerausstellung wiedereröffnet. Unter dem Titel „Ritter, Rauten & Co.“ können Besucher auf zwei Stockwerken interaktiv über den Ursprung der bayerischen Rauten, sowie über die rund 900-jährige Geschichte des Ortes lernen.

Abendstimmung auf dem Bogenberg: das Museum liegt auf der anderen Seite gleich neben der Wallfahrtskirche. © Kreismuseum Bogenberg

Die Wallfahrtskirche Bogenberg, im Jahr 1463 in der heutigen Form errichtet, ist die älteste Marienwallfahrtskirche Bayerns. Im Kirchengebäude gibt es zwei Gnadenbilder Marias zu besichtigen. Sie erzählen die Wallfahrtslegende: Im Jahr 1104 entdeckte Graf Aswin von Bogen im Wasser eine steinerne Madonnenfigur, die die Donau flussaufwärts entlangtrieb und am Fuße des Bogenberges angeschwemmt wurde. Die Figur wurde auf den Hügel gebracht und zur Verehrung in der damaligen Schlosskapelle aufgestellt. Seitdem finden sich tausende Pilger jährlich zu regelmäßigen Wallfahrten zum "Berg der Heiligen Maria" ein.

Die mittelalterliche Madonnenstatue auf dem Bogenberg wurde in der Donau angeschwemmt. © Kreismuseum Bogenberg

Eine der bekanntesten und sicher auch anstrengendsten Wallfahrten ist die Holzkirchener "Kerzenwallfahrt". Sie gehört zu den großen brauchtümlichen Darstellungen der Pfingsttage in Niederbayern und ist eine der letzten großen Bittprozessionen, die seit 500 Jahre bis heute fast unverändert erhalten geblieben ist. Zum ersten Mal schriftlich erwähnt wurde sie 1518 in einer alten Münchner Handschrift aus dem Kloster Oberalteich.
Am Pfingstsamstag starten die Gläubigen im Morgengrauen in Holzkirchen und legen 75 Kilometer zu Fuß zurück. Dabei stemmen die Männer reihum eine 13 Meter hohe, rund 50 Kilo schwere "Kerze", die aus einem Holzstamm geformt und mit kilometerlangen, roten Wachsstreifen umwickelt wird.

Wenn Kerze und Wallfahrer am Pfingstsonntag Pfelling erreicht haben, ist der Bogenberg das erste Mal in der Ferne zu sehen. © Thomas Haslinger

Vor 500 Jahren legten die Holzkirchner ein Gelübde ab, das sie bis heute treu erfüllen. Es wurde aus großer Not geboren: Damals wütete der Borkenkäfer in den Wäldern rund um Holzkirchen und gefährdete eine wichtige Existenzgrundlage der Bevölkerung. Die Holzkirchner beteten zur Muttergottes auf dem Bogenberg und versprachen ihr: Wenn auf ihre Fürbitte der Käfer abstirbt und nicht mehr die Bäume zerstört, wird jedes Jahr ein gerade gewachsener Fichtenstamm mit rotem Wachs umwickelt und in einer Dankwallfahrt der Muttergottes auf dem Bogenberg geopfert. Und siehe da: die Plage verschwand und die Wallfahrt ist bis heute erhalten geblieben.

Die Kerze wird abwechselnd liegend und aufrecht getragen, die Route beginnt Freitagfrüh in Schöfach bei Holzkirchen, führt über Vilshofen, den Donaudamm von Deggenau bis Deggendorf, über den Himmelberg und Pfelling und endet am Pfingstsonntag mit der großen Marienandacht auf dem Bogenberg. Das letzte Stück, den zwei Kilometer langen, steilen Aufstieg, wird die Kerze senkrecht balanciert, was für die Träger einen letzten, großen Kraftakt bedeutet und vor allem bei Wind oder engeren Passagen volle Konzentration erfordert.

Das sind die Ur-Rauten im Wappen des Grafen von Bogen, sie standen Pate für die dekorative weiß-blaue bayerische Flagge. © Kreismuseum Bogenberg

Aber jetzt endlich die Auflösung zu den Rauten: die einst hier ansässigen Grafen von Bogen übertrugen mit dem Aussterben ihres Geschlechts 1242 ihre Besitztümer und auch ihr Rauten-geschmücktes Wappen an die Wittelsbacher. Eigentlich unvorstellbar, aber ohne die Rauten der Grafen von Bogen hätte es das weiß-blaue Muster, das bis heute das Erkennungszeichen Bayerns schlechthin ist, womöglich nie gegeben…

Sophie den Toom