Gastbeitrag von Dr. Sonja Mißfeldt, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg
Die Forschung in Museen hat in der Vergangenheit schon Vieles beantworten können. Großen Anteil daran haben inzwischen kunsttechnologische Untersuchungsmethoden, die kunsthistorische Einschätzungen mit wissenschaftlichen Verfahren unterstützen. Am Germanischen Nationalmuseum (externer Link, öffnet neues Fenster) arbeiten im „Institut für Kunsttechnik und Konservierung“ mehr als 30 Restauratoren und Kunsttechnologen in insgesamt 12 Werkstätten, um Kunstwerke und ihre Geschichte besser zu verstehen. Wie gehen sie dabei vor?
Wie moderne Technik jahrhundertealte Geschichten freilegt
Ein Gemälde besteht – vereinfacht gesagt – aus einer Reihe von Schichten: Über einer Leinwand oder Holztafel wird zunächst eine Grundierung aufgetragen, auf die ein Künstler eine Skizze zeichnet, die er anschließend mit Farben bemalt. In der Regel wird abschließend alles mit einem transparenten Firnis überzogen. Für das Auge sichtbar bleibt lediglich die Malerei. Die Infrarotreflektografie vermag quasi unter die Malschicht zu blicken: Dank seiner längeren elektromagnetischen Wellen durchdringt Infrarotstrahlung Farbschichten, die für das menschliche Auge undurchsichtig erscheinen. Ein Detektor erfasst die zurückgeworfenen Strahlen fotografisch und überträgt sie auf einen Monitor. In der kunsttechnischen Forschung wird dieses Verfahren vor allem eingesetzt, um herauszufinden, ob und welche Art von Unterzeichnungen unter einem Gemälde existieren.
Vielschichtig und faszinierend - eine Zunfttafel der Nürnberger Kammmacher
Möchte man tiefer durch die Schichten „sehen“, hilft Röntgen. Röntgenstrahlen verfügen über wesentlich kürzere Wellenlängen als sichtbares Licht und durchdringen auch Festkörper. Röntgenbilder geben daher Aufschluss über die innere Struktur eines Gemäldes, über Aufbau und Zustand des Bildträgers.
Interessantes kam beispielsweise bei der Untersuchung einer dreiteiligen Zunfttafel der Nürnberger Kammmacher ans Licht.
Die Mitteltafel zeigt eine von zwei Herren gerahmte Kartusche. Darüber ist deutlich die Jahreszahl 1819 zu lesen, versehen mit dem kleinen Zusatz „Renove“ – was auf eine Renovierung, also Übermalung im Jahr 1819 verweist. Wie die Tafel bis dahin aussah, verrät das Röntgenbild: Die Komposition ist weitgehend gleich geblieben, allerdings sind die beiden Männer anders gekleidet. Statt Frack und Weste tragen sie Pluderhosen und gepolsterte Wämser mit gesteiften Kragen. Die Zunfttafel wurde offenbar Anfang des 19. Jahrhunderts ihrer Zeit angepasst und modernisiert.
Am unteren Bildrand der Tafel gibt die Röntgenaufnahme außerdem Hinweis auf weitere Wappen. Die Infrarotaufnahme macht zugehörige Beschriftungen und Monogramme sichtbar. Wendet man die Technik auch bei den Außentafeln an, tauchen weitere Wappenschilde, Namen und Jahreszahlen auf. Nach ihrer Auswertung kann die Entstehung der Klapptafel auf 1647 datiert werden.
Die Geschichte ist nicht ungewöhnlich für Zunfttafeln. Häufig haben die Vereinigungen eine lange Tradition, dementsprechend alt sind ihre Abzeichen und Gegenstände. Sie werden in Ehren gehalten und nicht ersetzt – aber aktualisiert. Wappen ehemaliger Zunftmitglieder werden getilgt und mit denen neuer übermalt, Kleidermoden und Handwerksgeräte der Zeit angepasst. So ist es oft schwierig bis nahezu unmöglich, das Alter einer solchen Tafel aufgrund stilistischer Merkmale zu bestimmen. Die Kunsttechnologie dagegen macht es möglich.
Dürers Werk in neuem Licht betrachten
Unzählige weitere Beispiele ließen sich anführen. Moderne Untersuchungsmethoden haben außerdem den entscheidenden Vorteil, dass sie „non-invasiv“, also zerstörungsfrei arbeiten. Strahlen durchdringen Kunstwerke, ohne Spuren zu hinterlassen. Sie generieren Bilder, die unser Wissen über die Geschichte maßgeblich verändern. Auch die UV-Fluoreszenzanalyse unterstützt das menschliche Auge.
UV-Strahlen gehören zu den kurzwelligen Strahlen. Wir sehen sie nicht, erleben aber ihre Wirkung, wenn Schwarzlicht in der Disco Zähne strahlen lässt oder wenn an der Kasse die Echtheit eines Geldscheins überprüft wird. Genauso fluoreszieren viele in Gemälden verwendete Substanzen, wenn sie mit UV-Licht beleuchtet werden. In der Regel wenden Kunsttechnologen diese Methode an, um mehr über den Erhaltungszustand eines Bilds zu erfahren. Je älter Firnisse oder Bindemittel sind, umso mehr fluoreszierende Verbindungen bilden sie. Nachträgliche Retuschen bleiben dunkel. So lassen sich spätere Übermalungen oder Ausbesserungen sichtbar machen.
Ein Tipp der Redaktion: Neben dem Germanischen Nationalmuseum bieten einige weitere Museen in Bayern interessante Führungen rund um das Thema Restaurierung an, beispielsweise das Bayerische Nationalmuseum in München.
Germanisches Nationalmuseum (externer Link, öffnet neues Fenster)
Kartäusergasse 1
90402 Nürnberg
Tel. 0911 / 1331-0
Öffnungszeiten:
Di – So 10:00 – 18:00 Uhr
Mi 10:00 – 21:00 Uhr
Abb. ganz oben: Kunsttechnologin Lisa Eckstein untersucht ein spätmittelalterliches Tafelbild mittels der digitalen Infrarotreflektografie, die Vor- und Unterzeichnungen sichtbar macht, Foto: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg