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Die Stadt blüht auf - beim Flower Power Festival München 2023

Urbane Gärten, Gräser und Kräuter erobern Plätze und Straßen, Rosen, Sonnenblumen, Klatschmohn, Seerosen und kunstvolle 3D-Pflanzen sprießen in den Museen und Ausstellungsräumen, es blüht, wächst und grünt in der City!  2023 ist München im Blütenrausch - und das ganze acht Monate lang. Drinnen und draußen. In Parks und Gärten, aber auch überraschend und anders und mit unzähligen Akteur:innen, Highlights und Events! Setzt die Flower Power Brille auf und feiert mit!

„Natur feiern in der Stadt" heißt das Motto, unter dem mehr als 200 Veranstalter:innen ihrer Kreativität noch bis zum 7. Oktober freien Lauf lassen und München in einen wahren Blütenrausch versetzen. Der Startschuss des Festivals fiel am 3. Februar mit der Eröffnung der Ausstellung "Flowers Forever. Blumen in Kunst und Kultur“ in der Kunsthalle München. 

Eine Pflanze riechen, die es gar nicht mehr gibt? Schöner Lyrik lauschend durch die Farnschlucht flanieren? Oder das Land besuchen, in dem die Zitronensaftflaschen blühen? Wie ein Schmetterling über eine duftende Blumenwiese fliegen? All das geht! So facettenreich und vielfältig wie die Stadtgesellschaft, die sich in den unterschiedlichsten Bereichen am Festival beteiligt, so natürlich faszinierend, nachhaltig, poetisch, berührend oder spannend sind auch die Ausstellungen, Performances, Workshops, Spaziergänge, Konzerte, Theaterstücke, Lesungen und Partys, die euch erwarten. 

Cornelia Weber, Flor - Detail Florale Stillleben von Cornelia Weber in der Stadtbibliothek
Rosa Seerosen auf hellblauem Grund
Gudrun Michel, Detail von Seerosen im Morgennebel, 2021 - In voller Blüte, Café Limulus Schloss Nymphenburg
Cecilia Moore: The Handyman's Garden - Blütenpracht in der Galerie Handwerk
Natur im Fokus, Fotowettbewerb für Kinder und Jugendliche, Naturkundemuseum Bayern © Franz Guenther
SüdpART - Naturkunst Biennale, ein urbanes Landart-Projekt © Galitz
Wildblumenwiesen im Englischen Garten  © Bayerische Schlösserverwaltung
Der Schauspieler Jannik Schümann 2023 - Unverblümt, Fotografien von Mike Kraus in der Kunsthalle München © Mike Kraus

Der Pflanzenflüsterer - ein Interview mit dem Stereografen Sebastian Cramer

Foto frontal in schwarz-weiß von Sebastian Kramer
Sebastian Cramer © Studio Sebastian Cramer

1)  Wie bist du als Regisseur zur Fotografie gekommen?

Es gab in der Zeit der großen 3D-Welle, kurz nachdem der erste Avatar herausgekommen ist, sehr sehr viele Fragen, wie man denn nun diese neue Technik im Film einsetzen sollte. Da ging es um Fragen, wie geht man mit Vorder- und Hintergründen um, wie viel Tiefe verträgt ein Bild, funktionieren Überblendungen, was macht man mit Elementen, die seitlich aus dem Bild herausragen, muss die Tiefenschärfe eher hoch oder eher niedrig sein und vieles mehr. 

Im Zuge dieser Fragen lag es nahe, mal zu schauen, wie mit diesen Fragen in der Fotografie umgegangen wird, denn schließlich gibt es stereoskopische Fotografie seit ca. 170 Jahren. Um so überraschter war ich, dass dort keine Antworten zu finden waren, weil diese Fragen nie aufgetaucht waren. Dies lag vor allem daran, dass die stereoskopische Fotografie nahezu vollständig verschwunden war und kaum noch Beachtung fand. 

Das hat mich neugierig gemacht. Hat sie keine Bedeutung mehr, weil sie einfach uninteressant geworden ist? Diese totale Funkstille in der Fotografie stand im krassen Gegensatz zu dem Hype, der damals im Film stattfand. Und irgendwann habe ich dann angefangen, mich mit der 3D-Fotografie zu beschäftigen, die inzwischen einen wichtigen und auch zentralen Stellenwert für mich hat.

Stereo Fotografie einer Aster auf weißem Grund
Asteraceae, Thistle, 2017 © Studio Sebastian Cramer
Stereo Fotografie eines Blattes, weiß auf schwarzem Grund
Leaf IV, 2018 © Studio Sebastian Cramer
Stereo Fotografie von Mohn-Samenkapseln, grau auf weißem Grund
Papaver somniferum, Opium Poppy, 2016 © Studio Sebastian Cramer
Stereo Fotografie einer Pflanze, weiß auf schwarzem Grund
Asteraceae economically, Thistle, 2018 © Studio Sebastian Cramer

2)  Was interessiert dich an der Stereo-Fotografie? Wie funktioniert diese Technik?

Die Stereofotografie ist ja genauso alt wie die Fotografie selber. Es gab schon Stereo-Viewer vor dem ersten Foto, damals mit gezeichneten Bildern, die dann räumlich erschienen. Zur Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts war es eine regelrechte Industrie, mit Teams, die um die ganze Welt geschickt wurden, um 3D-Bilder aufzunehmen.

Um so erstaunlicher ist es, dass diese Technik in der zeitgenössischen Fotografie kaum Beachtung findet. Sie ist einerseits ein Rückblick in die Vergangenheit, andererseits aber auch verbunden mit sehr zukunftweisenden Entwicklungen - wie 3D-Filmen, VR, autonomem Fahren, Fernoperationen und vielem mehr. Mich hat es gereizt, in diesem Spannungsfeld zu arbeiten. Können einen die Bilder noch so verzaubern oder faszinieren, wie dies vor 150 Jahren der Fall war und wie müssen die Arbeiten gestaltet sein, um eine Zeitlosigkeit zu haben?

Auch das Farbverfahren mit roten und cyanfarbenen Filtern ist über 90 Jahre alt. Im Grunde geht es immer darum, zwei Bilder, die mit einem leichten seitlichen Versatz aufgenommen sind, so zu trennen, dass das linke Auge das linke Bild sieht und das rechte Auge das rechte. Das hat man zuerst so gemacht, dass man zwei kleine Fotos auf einer Glasplatte oder einem Papier nebeneinander in einem Viewer betrachtete. Später gab es die Farbseparation oder Filter mit Polarisationen. Aber alles geht auf dieses uralte Verfahren zurück und hat sich nicht geändert.

3)  Wieso sind deine Pflanzen eigentlich alle schwarz-weiß?

In dem Projekt geht es um die Art wie wir sehen und wie sich unsere Wahrnehmung verändert, wenn wir Dinge entweder zweidimensional/grafisch oder räumlich sehen. Dieser Wechsel von einem Foto zu einer fotografischen Skulptur ist das, was den Reiz ausmacht. Deswegen setzt man auch in der Ausstellung "Two Views on Plants" nicht dauerhaft eine Brille auf, sondern sieht die Bilder mit einem Vorhalter, sodass sich diese Transformation bei jedem Bild neu einstellt. 

Diese Idee einer fotografischen Skulptur hat mich immer gereizt und sie trifft auch den Ansatz für meine Arbeit. Eine Skulptur hat immer etwas alleinstehendes, sie ist isoliert, sie wird immer weiter reduziert und befreit von allem Unwichtigen, um räumlich aus der Umgebung hervorzutreten. Entsprechend habe ich angefangen, zunächst die Bilder vom Hintergrund zu befreien, von störenden Nebenelementen und später auch von den Farben, um dann nur noch die Farben im Bild zu haben, die die kodierte Tiefeninformation beinhalten. 

Stereo Fotografie einer Distel, in Alkohol eingelegt, schwarz-weiß
WHITE I -Eryngium alpinum, Alpine Sea Holly, 2019 © Studio Sebastian Cramer

4)  Wie bist du auf die Alcoplants aus dem Botanischen Garten gekommen?

Der Name Alcoplants ist eigentlich eine Wortschöpfung von mir… Wissenschaftlich richtig würde man von "Nasssammlungen" oder "Präparaten der Alkoholsammlung" reden. Ich hatte damals schon eine ganze Reihe von Pflanzenfotos gemacht und habe den Kontakt zum Botanischen Garten gesucht, weil ich dachte, dass es dort vielleicht getrocknete Präparate gibt, die für meine Arbeit ebenfalls interessant sein könnten. Aber außer einigen Früchten sind die meisten Präparate des Herbariums Pflanzen, die gepresst wurden und dann zur Aufbewahrung flach auf einem Papier fixiert sind. Hiervon gibt es weit über eine Million Präparate, aber natürlich ist klar, dass diese für räumlich-stereokopische Bilder völlig ungeeignet sind. 

Irgendwann kam dann die Sprache auf die Alkoholsammlung, die in den Kellerräumen untergebracht ist. Und nachdem ich diese gesehen hatte, war ich begeistert. Zum einen sind die Präparate fast alle weit über hundert Jahre alt und wurden vor dem Ersten Weltkrieg gepflückt. Sie stammen also aus einer Zeit, in der Stereofotografie ein angesagtes Medium war. 

Zum anderen haben sich die Pflanzen durch den Alkohol verändert. Die Farben der Blätter und Blüten sind verschwunden und die organischen Strukturen wurden oft transparent, fast wie ein dünnes Seidentuch. Das, was wir sehen, ist also eher etwas wie der Geist einer Pflanze. Das wirft Fragen auf, was passiert eigentlich mit Natur, wenn wir sie erhalten wollen? Kann man Natur bewahren, in dem man sie konserviert? Grundsätzlich macht den Reiz von Blumen in Kunst und Fotografie ja immer ihre Vergänglichkeit aus, aber bei den Gläsern, in denen der Erhalt mit der Transformation einhergeht, ist das nochmals eine zusätzliche Ebene.

Stereo Fotografie von sternenförmigen Pflanzensamen auf weißem Grund

Never give up the expectation of seeing beauty and miracles for the first time.

Wim Wenders, from his essay for "TWO VIEWS on Plants"

Gib die Erwartung, Schönheit und Wunder zum ersten Mal zu sehen, niemals auf.

Wim Wenders, aus seinem Essay für "TWO VIEWS on Plants"

5)  Was verbindet dich mit Wim Wenders?

Ich hatte das Glück - seit inzwischen mehr als 10 Jahren - zunächst die 3D-Technik für die Filme von Wim Wenders zu stellen und später auch als Stereograf an seinen Projekten zu arbeiten. Er hat eine ganz besondere Verbindung zu 3D, weil er überzeugt ist, dass 3D die Wirklichkeit anders erlebbar macht. Es werden andere Bereiche im Gehirn aktiviert und die Rezeption ist eine völlig andere. 

Meist verbindet man mit 3D-Filmen eher den puren Effekt oder eine visuelle Sensation. In der großen 3D-Welle vor zehn, zwölf Jahren ist viel von den Möglichkeiten ungenutzt geblieben, die diese Erzählform eigentlich beinhaltet und gebraucht hätte. Es gab nur sehr wenig Regisseure, die das Potenzial erkannt haben und darin eine Bereicherung des filmischen Erzählens gesehen haben - jenseits des Show-Effekts. Wenders, Ang Lee und natürlich James Cameron sind da ganz große Ausnahmen, die sich auch damit auseinander gesetzt haben, ob und wie man die Erzählweise an diese neue Technik anpassen muss. 

Dieses Jahr hatte der Film „Anselm“ von Wim Wenders in Cannes Premiere, der die Arbeit und das Leben des Künstlers Anselm Kiefer zeigt und bei dem ich die Stereografie übernommen habe. Gerade für Kunst, Skulpturen, Architektur oder Tanz, bietet 3D die Chance, den Raum unvergleichlich erfahrbar zu machen.

Stereofotografie einer weißen Blumenranke auf schwarzen Grund.
Detail aus BLACK X - Fabaceae, Legumes, 2019. Aus der Publikation: Two Views on Plants. Sebastian Cramer. A Stereoscopic Photo Book, 2022.  © Studio Sebastian Cramer
bunte Papierblumen
Origami-Blumen © Museum Brandhorst

Flower Power Festival München 20023 - die Initiator:innen und Partner:innen
Der Gasteig HP8, die Kunsthalle München, der Botanische Garten München-Nymphenburg und BIOTOPIA – Naturkundemuseum Bayern sind die Initiator:innen des stadtweiten Festivals. Große Institutionen, kleine Verbände, renommierte Kultureinrichtungen, bekannte Parks oder private Initiativen sind mit dabei und gestalten ein großartiges Programm.

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Programm des Flower Power Festivals (externer Link, öffnet neues Fenster)

Das vollständige Programm mit allen Ausstellungen und Veranstaltungen findet ihr auf der Festival-Website.