Auch wenn viele Hersteller heute nicht mehr produzieren, ist die Porzellanindustrie nach wie vor ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Gerade weil durch den Strukturwandel immer mehr Hersteller vom Markt verschwinden, ist die Traditionspflege in der Region so wichtig. Sammelpunkt und Leuchtturm für dieses Bewahren, Sammeln und Vermitteln ist das Porzellanikon - Staatliches Museum für Porzellan. An zwei historischen Standorten - einer ehemaligen Fabrikantenvilla in Hohenberg und einer ehemaligen Porzellanfabrik in Selb - wird geballtes Wissen, alte Technik und Kulturgeschichte am authentischen Ort gesammelt, bewahrt und ausgestellt.
Selb - Fabrik und Technik
Bis eine Tasse, ein Teller oder eine Teekanne in der Vitrine oder auf dem Tisch steht, sind unzählige Arbeitsschritte nötig. Diesen - im wahrsten Sinne des Wortes - steinigen Weg vom unscheinbaren Steinbrocken bis zum edlen Geschirr erleben Besucherinnen und Besucher hautnah im Porzellanikon Selb. Die historische Fabrik ist ein Musterbeispiel hochindustrieller Arbeitsteilung. Schritt für Schritt wird aus den Rohstoffen in der “Massemühle” zunächst die Porzellanrohmasse, aus der dann in der “Weißfertigung” durch Drehen oder Gießen das jeweilige Porzellanstück entsteht. Im “Buntbetrieb” kommt schließlich das bunte Dekor aufs Porzellan. Jedem dieser Herstellungsschritte ist im Museum ein eigenes Haus gewidmet.
Steine in weißes Gold verwandeln
Das Highlight der Massemühle sind die schweren Maschinen und die beeindruckenden Räumlichkeiten. Gleich zwei tonnenschwere Dampfmaschinen sind hier zu bestaunen, eine davon erwacht sogar stündlich bei einer Vorführung zum Leben und vermittelt zusammen mit den großen Trommelmühlen einen Eindruck von der ohrenbetäubenden Geräuschkulisse, in der die Porzelliner ihre Arbeit verrichteten. Schwere Räder und Transmissionsriemen verteilten die Kraft auf eine Vielzahl von Maschinen, die die groben Steinbrocken aus Quarz und Feldspat nach und nach in feines Mehl verwandelten. Zum Schluss kam die magische Zutat, das Kaolin, mit in die Mischung.
Porzellanherstellung live miterleben
In der Weißfertigung wurde aus der rohen Masse im Gieß- oder Drehverfahren das feine Geschirr gefertigt. Beide Techniken können Besucherinnen und Besucher live erleben. Wie wird aus Schablone und Form ein Becher? Wie kommt der Hohlraum in die Zuckerdose und warum ist Gips so entscheidend bei der Porzellanherstellung. Unsere Experten beantworten nicht nur diese Fragen, sondern plaudern auch gerne aus dem Nähkästchen ihrer zum Teil jahrzehntelangen Berufserfahrung in der Porzellanindustrie und gehen auf jede erdenkliche Frage ein. Ein Highlight zum Schluss sind die großen, im Original erhaltenen Brennöfen, die sich über mehrere Stockwerke erstrecken und in denen die früher das Porzellan bei einer Gluthitze von über 1400° über viele Stunden gebrannt wurde.
Porzellinerleben - der Mensch hinter dem Handwerk
Doch nicht nur die technischen Abläufe der Porzellanherstellung werden in Selb eindrucksvoll vermittelt. In der Abteilung "Porzellinerleben" steht der Mensch im Mittelpunkt. Wie war der Arbeitsalltag in der Fabrik? Wie wohnten und arbeiteten die Porzelliner und wie verbrachten sie ihre knappe Freizeit? Wie gut konnte man vom gezahlten Lohn leben und welche Gesundheitsgefahren lauerten in der Fabrik? Die interaktive Ausstellung vermittelt ein anschauliches Bild des Lebensalltags der Porzelliner. Die Besucherinnen und Besucher erleben die Enge der Wohnräume und die Schwere der Arbeit am eigenen Leib und staunen über Anekdoten aus dem Arbeitsalltag. Bier während der Arbeit? Das war damals gang und gäbe!
Rosenthal - ein Mythos
Die in den 1860er Jahren von Jakob Zeidler gegründete Fabrik wurde 1917 von Rosenthal übernommen und bis zu ihrer Schließung in den 1960er Jahren betrieben. Diese tiefe Verbundenheit mit der Marke Rosenthal kommt in der Ausstellung “Rosenthal - Ein Mythos” zum Ausdruck. Hier tauchen die Besucherinnen und Besucher tief in die von Philipp Rosenthal und Philipp Rosenthal junior geprägte Unternehmensgeschichte ein. Sie erleben, wie die starken und sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten von Vater und Sohn die Entwicklung des Unternehmens und seiner Produkte bestimmten und lenkten.
Zeitreise durch 300 Jahre Kulturgeschichte
Wenn Selb der industrielle Maschinenraum des Porzellanikons ist, dann ist Hohenberg seine Schatzkammer. In den authentischen Räumen der alten Hutschenreuther Fabrikantenvilla trifft man auf edles Porzellan, so weit das Auge reicht. Nach Epochen und Themen angeordnet reihen sich hier die Highlights der 300-jährigen Kulturgeschichte des Porzellans aneinander. Von den schwierigen Anfängen der Porzellanherstellung am Hofe Augusts des Starken bis zur Designer- aber auch Massenware der Nachkriegszeit bis 1989 ist hier alles vertreten, was Rang und Namen hat. Eindrucksvoll ist zu sehen, welche Trends in den jeweiligen Jahrzehnten das Porzellandesign prägten und wie sich Schlichtheit und Verspieltheit abwechselten. Die Zeitreise durch die Jahrhunderte ist ein eindrucksvolles Erlebnis. Durch seine idyllische Lage inmitten der Natur ist das Porzellanikon Hohenberg wie geschaffen für einen entspannten Ausflug in die Welt des Porzellans.
Ein Gastbeitrag des Porzellanikons