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Vom Hallenbad zur Kunsthalle: Wie Schweinfurt ein einzigartiges Museum bekam

Wo einst das Wasser plätscherte und Generationen von Schweinfurtern das Schwimmen lernten, stehen heute beeindruckende Kunstwerke im Rampenlicht. Die Kunsthalle Schweinfurt ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie ein historisches Gebäude eine völlig neue Identität erhalten kann – und dabei seinen ursprünglichen Charakter bewahrt.

Ein Geschenk an die Stadt: Die Geschichte des Ernst-Sachs-Bades

Schwarz-weiß Außenaufnahme eines großen Schwimmbads
Außenansicht des Ernst-Sachs Bades © Stadtarchiv Schweinfurt_HFA_3720
Sepia-Aufnahme des Duschbereichs
Duschbereich © Stadtarchiv Schweinfurt_HFA_4365
Schwarz-weiß Aufnahme: Schwimmer in einem Hallenbad
Schwimmer im Becken, heute große Halle © Stadtarchiv Schweinfurt_HFA_3728

Die Geschichte der Kunsthalle beginnt mit einem großzügigen Geschenk: Der Schweinfurter Industrielle Ernst Sachs, Mitbegründer des Unternehmens Fichtel & Sachs, spendete 1927 anlässlich seines 60. Geburtstags 500.000 Reichsmark für den Bau eines modernen Volksbades. Doch dies war nicht das erste Schwimmbad der Stadt. Bereits 1842 eröffnete Schweinfurt mit der „Badeanstalt am Oberen Wall“ sein erstes öffentliches Bad, das damals als eines der fortschrittlichsten in Bayern galt. Doch mit der rasanten Industrialisierung und dem Bevölkerungswachstum reichte dieses Bad bald nicht mehr aus.

Ernst Sachs erkannte die Notwendigkeit einer modernen Badeanstalt nach neuesten hygienischen Standards und ließ sich dabei von Vorbildern in München inspirieren. Dort war 1901 das berühmte Müller’sche Volksbad eröffnet worden – ein Prachtbau im Jugendstil, der damals als eines der modernsten Bäder Europas galt. Auch in Schweinfurt sollte ein Bad entstehen, das weit mehr als eine funktionale Einrichtung war.

Erbaut wurde das Ernst-Sachs-Bad nach Plänen des Architekten Roderich Fick (1886–1955), der während der Zeit des Nationalsozialismus eine wichtige Rolle im staatlichen Bauwesen spielte. Ab 1935 lehrte er als Professor an der Technischen Hochschule München und erhielt zahlreiche öffentliche Aufträge, unter anderem prestigeträchtige Projekte des NS-Regimes.

Zu seinen bekanntesten Bauten zählt die sogenannte Ordensburg Sonthofen im Allgäu, eine Ausbildungsstätte für den Führungsnachwuchs der NSDAP. Auch an den großangelegten Umbauplänen für Linz (Hitlers Geburtsstadt), war Fick beteiligt. Linz sollte zur „Kulturhauptstadt des Führers“ werden, mit monumentaler Architektur im Sinne nationalsozialistischer Ideologie.

Fick war zwar kein prominenter Vertreter wie Albert Speer, doch er gehörte zum engen Kreis regimekonformer Architekten, die das nationalsozialistische Bauprogramm aktiv mitgestalteten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde er im Entnazifizierungsverfahren als Mitläufer eingestuft und konnte später wieder als freier Architekt arbeiten. Sein Werk wirft bis heute Fragen nach der Verantwortung von Architektur und Gestaltungswillen in autoritären Systemen auf und lässt Raum für weitere Forschungen. 

Er entwarf das Hallenbad in Schweinfurt im Stil der Neuen Sachlichkeit – klar, elegant und funktional. 1933 eröffnet, wurde es schnell zu einer Institution. Über Jahrzehnte hinweg diente es nicht nur der Körperpflege und Erholung, sondern auch als sozialer Treffpunkt für die Stadtbevölkerung.

Doch der Zweite Weltkrieg hinterließ seine Spuren: 1944 wurde das Gebäude schwer beschädigt. Nach einer aufwendigen Sanierung konnte es 1949 wieder öffnen und blieb bis zur endgültigen Schließung 2004 ein wichtiger Teil des Stadtlebens. Dann aber stellte sich die Frage: Was tun mit diesem denkmalgeschützten Bau?

Eine mutige Entscheidung: Vom Schwimmbad zum Kunstmuseum

Blick auf die Treppen vor dem Eingang der Kunsthalle
Der Eingang der Kunsthalle heute © Stadt Schweinfurt / Foto: Peter Leutsch

Die Transformation des Ernst-Sachs-Bades in ein Kunstmuseum war eine wegweisende Entscheidung. Während viele Städte alte Schwimmbäder abrissen oder durch moderne Neubauten ersetzten, erkannte Schweinfurt das Potenzial dieses besonderen Ortes. Statt Wasserbahnen und Sprungbrettern sollten künftig Kunstwerke die hohen Wände der ehemaligen Schwimmhalle zieren.

2007 begannen die umfangreichen Umbauarbeiten, bei denen das äußere Erscheinungsbild des Bades erhalten blieb. Im Inneren wurden moderne Ausstellungsräume geschaffen, die den historischen Charakter des Gebäudes respektierten. 2009 war es schließlich so weit: Die Kunsthalle Schweinfurt wurde eröffnet – ein einzigartiges Museum, das die Kunst nach 1945 in Deutschland in den Mittelpunkt stellt.

Informel als Schwerpunkt: Ein Leuchtturm der deutschen Nachkriegskunst

Ein Alleinstellungsmerkmal der Kunsthalle ist ihre herausragende Sammlung zum deutschen Informel. Diese Kunstrichtung, die sich in den 1950er-Jahren entwickelte, markierte einen radikalen Neuanfang in der deutschen Kunstgeschichte. Nach den Zwängen des Nationalsozialismus und dem Trauma des Zweiten Weltkriegs suchten Künstler nach neuen Ausdrucksformen – frei von ideologischen Vorgaben oder starren Kompositionsregeln.

Besonders in Deutschland wurde das Informel zu einer zentralen Bewegung der Nachkriegskunst. Es setzte sich mit der gestischen Abstraktion auseinander und wurde zur europäischen Antwort auf den amerikanischen Abstrakten Expressionismus. Die Kunsthalle Schweinfurt hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese bedeutende Strömung der Kunstgeschichte in besonderer Weise zu würdigen. Werke von Karl Otto Götz, Fritz Winter, Emil Schumacher, Gerhard Hoehme, Hann Trier, Hubert Berke, Georg Meistermann und Karl Fred Dahmen veranschaulichen die immense Bandbreite dieser expressiven, spontanen und oft kraftvoll-dynamischen Malweise.

Mit dieser Sammlung nimmt die Kunsthalle eine herausragende Stellung in der deutschen Museumslandschaft ein. Sie ist einer der wenigen Orte, an denen das Informel in seiner ganzen Tiefe erfahrbar wird – sowohl in seinen Anfängen als auch in seiner Weiterentwicklung bis in die Gegenwart.

Einzigartige Sammlung und hochkarätige Wechselausstellungen

Auf über 2.000 Quadratmetern präsentiert die Kunsthalle neben dem Informel weitere wichtige Strömungen der modernen und zeitgenössischen Kunst in Deutschland. Die expressiven Münchner Maler der 1960er- bis 1980er-Jahre, politische Kunst aus Ost- und Westdeutschland sowie urbane Architektur- und Landschaftsdarstellungen bilden weitere Schwerpunkte der Sammlung. Besonders hervorzuheben ist auch die beeindruckende Sammlung von Bildhauerarbeiten, die Künstler mit regionalem Bezug wie Fritz Koenig oder Heinrich Kirchner ins Zentrum rückt.

Neben der Dauerausstellung sorgt ein hochkarätiges Wechselausstellungsprogramm regelmäßig für Aufsehen. Die Kunsthalle widmet sich immer wieder bedeutenden Künstlerpersönlichkeiten und aktuellen Strömungen der Gegenwartskunst. Von der Triennale „Fokus Franken“ über Einzelausstellungen von Gunter Sachs oder Ottmar Hörl bis hin zu thematischen Schauen zur informellen Malerei oder politischen Kunst – das Programm ist vielfältig und auf höchstem Niveau.

In der imposanten ehemaligen Schwimmhalle mit einer Raumhöhe von neun Metern kommen besonders großformatige Werke und Skulpturen hervorragend zur Geltung. Besucherinnen und Besucher können sich hier von der einzigartigen Atmosphäre des Raums und der Kraft der Kunst gleichermaßen beeindrucken lassen.

Kunst erleben: Vermittlung und Bildung 

Die Kunsthalle Schweinfurt legt großen Wert auf eine lebendige Vermittlung der ausgestellten Werke. Ein engagiertes Team bietet ein abwechslungsreiches Programm an Führungen, Workshops und Veranstaltungen für verschiedene Altersgruppen an. Ob Schulklassen, Familien oder Kunstinteressierte – hier findet jeder einen Zugang zur modernen Kunst.

Regelmäßige Kunstaktionen, lehrplanbezogene Angebote für Schulen sowie spezielle Programme für Kinder und Jugendliche machen die Kunsthalle zu einem kulturellen Bildungsort mit großer Strahlkraft.

Fazit: Ein Museum mit Geschichte und Zukunft

Die Kunsthalle Schweinfurt ist mehr als nur ein Kunstmuseum – sie ist ein Symbol für den gelungenen Wandel von einem Ort der körperlichen Ertüchtigung zu einem Zentrum künstlerischer Inspiration. Besonders ihre wegweisende Sammlung zur informellen Malerei macht sie zu einer unverzichtbaren Adresse für Kunstinteressierte in Deutschland.

Wer durch die hohen Hallen schreitet, spürt noch heute die Geschichte dieses Ortes, während die Kunstwerke eine ganz neue Dimension hinzufügen. Für Kunstliebhaber, Architekturbegeisterte und alle, die auf der Suche nach einem besonderen Museumserlebnis sind, ist die Kunsthalle Schweinfurt ein echter Geheimtipp.

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Kunsthalle Schweinfurt

Das von dem Schweinfurter Industriellen Ernst Sachs (1867–1932) gestiftete und in den Jahren 1931 bis 1933 nach Plänen von Roderich Fick erbaute Hallenbad bildet mit seiner neusachlichen Architektur den idealen Rahmen für die Kunsthalle Schweinfurt .

Ein Gastbeitrag der Kunsthalle Schweinfurt