Den Menschen vor Augen
Künstlerische Strategien seiner Darstellung in italienischen Zeichnungen
23.01.2025 - 13.04.2025 ,
Staatliche Graphische Sammlung München in der Pinakothek der Moderne
- Museumscafé.
- Museumsshop.
Zu den größten Errungenschaften der frühen Neuzeit in der Kunst zählt neben dem Wahrnehmungskonzept der Zentralperspektive fraglos die Wiederentdeckung des Menschen als selbstbestimmtes Individuum aus Fleisch und Blut. Sie war kein punktuelles Ereignis, sondern ein Prozess beständiger und intensiver Beobachtung und Analyse. Die neue Sicht auf den Menschen als kreatürliches Phänomen und soziales Wesen, als Person und Charakter vollzog sich seit der italienischen Renaissance besonders vielfältig gerade auch in der Zeichenkunst. Sie ist dem Experiment offener zugewandt als Werke der Repräsentationskunst wie Skulptur und Malerei und bot der neuen anthropozentrischen Standortbestimmung auch insofern einzigartige Voraussetzungen, als es gerade in Italien antike Vorbilder gab, die den Menschen den neuen
Bestrebungen gemäß bereits künstlerisch umgesetzt zeigten. Die Aufgabe, den Menschen zeichnerisch zu ergründen, seiner Natürlichkeit und seinem Empfinden nachzuspüren, ihn in seinem Verhalten und Bewusstsein zu beleuchten, wird von der Entdeckung bislang ungenutzter, für die neuen Zwecke aber idealen Zeichenmittel und -techniken begleitet. Das Vermögen, mit
schwarzer Kreide und Rötel, mit Pastellstiften und Lavierpinsel den Menschen neu zu sehen und zu zeigen, wurde in höchst verschiedenartigen graphischen Herangehensweisen ausgelotet. In einer exemplarischen Werkauswahl rückt die Ausstellung „Den Menschen vor Augen“ Abbildstrategien dieser Art in den Blick. Sie unterwirft sie jedoch keiner strengen Systematisierung, in der das einzelne Blatt als Beleg einer vorgefassten These dient, vielmehr sind die Besucherinnen und Besucher eingeladen, die Werke aufmerksam zu betrachten, ihnen näherzukommen und sie zu genießen, sich von ihnen anregen zu lassen und nach dem künstlerischen Kalkül zu fragen, das in den Zeichnungen zur Wirkung kommt.
Die Ausstellung umfasst selten gezeigte Glanzstücke der Staatlichen Graphischen Sammlung München, wie die früheste sienesische Bildnisstudie von Domenico di Bartolo (um 1400–1447) oder das Blatt mit einem männlichen Torso, in dem Michelangelo Buonarroti (1475–1564) eine neuartige von ihm entwickelte Strichtechnik von besonders vitaler Wirkung anwendet. Neben einer Reihe herausragender Zeichnungen Fra Bartolommeos (1472–1517) ist auch Jacopo da Pontormos (1494–1557) fulminantes Rötelblatt „Zwei stehende Frauen" zu bewundern, das fraglos unter die schönsten und rätselhaftesten Arbeiten von der Handdieses Hauptvertreters des Florentiner Manierismus zu rechnen ist. Darüber hinaus sind Blätter zu sehen, die bislang nur der Fachwelt bekannt waren wie Odoardo Fialettis (1573–1638) „Brustbild eines bekränzten Fauns“ oder das Selbstporträt Jacopo Amigonis (1682–1752), des im frühen 18. Jahrhundert im süddeutschen Raum so einflussreichen Vertreters venezianischer Kunst.
Eintrag zuletzt geändert am 20.01.2025