Maximilian Kirmse - Berlin Mon Amour
Oder vom Hier und Jetzt des Augenblicks jenseits der fassbaren Gegenwart
08.02.2024 - 05.05.2024 ,
Staatliche Graphische Sammlung München in der Pinakothek der Moderne
- Museumscafé.
- Museumsshop.
Zweifellos lässt sich die Sentenz Berlin Mon Amour nicht als unbeschwerte Liebeserklärung an eine Großstadt verstehen, deren rauer Lebenswirklichkeit man kaum schmeicheln kann. Sie ist
ein Paradoxon, das einen provozierenden, erst bei genauerer Betrachtung sinnstiftenden Widerspruch in sich trägt. Berlin Mon Amour meint nicht das leichtlebige Lebensgefühl, das man mit anderen Metropolen verbindet. Vielmehr beschreibt es die ureigene Lebenslust und unbändige Lebensenergie einer Stadt, deren Sinn für Freiheit und Weltoffenheit lähmender Kleingeistigkeit und Provinzialität entgegensteht. Diese Lebenslust und Lebensenergie sind es, die reaktionären Stillstand aussetzen und fortwährend Berlins vitalen Esprit des Neu- und Umdenkens beflügeln. Von diesem Lebenselixier angezogen, verzaubert es diejenigen, denen es gelingt, darin einzutauchen und sich auf ihr eigenes Liebesabenteuer mit der Spreemetropole einzulassen.
Genau von diesem eher lässigen Berliner Lebensrhythmus erzählen Maximilian Kirmses Bildwelten, ohne große Dramen zu bemühen oder absurde Motive erfinden zu müssen. Fern touristischer Großstadtphantasien, die vom alten glamourösen Westen, von schlafwandelnden Party-People in Mitte oder von coolen Hipstern in der gentrifizierten Stadtlandschaft am Prenzlauer Berg träumen, greifen die Zeichnungen und Malereien das unaufgeregte Leben in seinem Kiez auf. Im Kontrast zu den genannten Klischees wirkt diese Alltäglichkeit umso verstörender, weil sie jedwede Sensationslust ins Leere laufen lässt und ihr vice versa den Spiegel vorhält. Dabei scheinen seine Szenen immer aus neutraler Distanz heraus beobachtet zu sein, sodass sie weder als „Milljöh“-Studien noch als Chronik einer Großstadt zu betrachten sind.
Ohne jeden Respekt vor akademischen Traditionen und den erdrückenden Fortschrittsgedanken des Avantgardeprinzips ignorierend, treffen in Maximilian Kirmses Werk völlig ungezwungen stilistische und ästhetische Elemente der „High“- und der „Low“-Kultur aufeinander und verbinden sich zu einem untrennbaren Konglomerat, das seine eigenwillige wie präzise Handschrift ausmacht. Zum Teil scheinen seine Motive der Comic-Kultur entsprungen zu sein, erinnern zugleich aber auch an primitivistische Bildwelten, die der Volkskunst entlehnt sein mögen. Nicht zuletzt leuchtet in seinen Tableaus, einem hypernervös, farblich überdrehten Blitzlichtgewitter nicht unähnlich, das Lebensgefühl eines Fin de Siècle auf. Diese Dissonanzen sind selbstverständlicher Teil des Lebensgefühls von Berlin Mon Amour.
Eintrag zuletzt geändert am 06.09.2024