Dazwischensein 4 - Andrea Wolfensberger
Möglichkeitsräume 2024
03.05.2024 - 29.05.2024 ,
DG Kunstraum | Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst e.V.
- Freier Eintritt.
- Museumsshop.
Dazwischensein 1-9
Möglichkeitsräume
2024
Dazwischensein 4
Andrea Wolfensberger
(Möglichkeitsraum)
Manaf Halbouni
Judith Neunhäuserer
(Filmprogramm)
Ausstellung von 3. Mai bis 29. Mai 2024
Eröffnung Donnerstag, 2. Mai 2024, 18 bis 21 Uhr
Im Jahr 2024 setzt ,Dazwischensein’ den gedanklichen Überbau für neun kurze, künstlerische Einzelpräsentationen, die das Thema in seinen verschiedenen Aspekten untersuchen. Dazwischensein kann ein Gedanke, Zustand oder auch ein Gefühl sein. Wir wollen Dazwischensein als Möglichkeit begreifen, mehr zu sehen und verschiedene Sichtweisen gleichzeitig in sich zu erfassen.
Andrea Wolfensberger hat für Dazwischensein 4 Arbeiten ausgewählt, die im DG Kunstraum zum ersten Mal gezeigt werden. Ihre Setzung besteht aus zwei großen Skulpturen aus Wellpappe, einem Material mit dem sie seit vielen Jahren arbeitet und mit dem sie eine Übersetzung von Klang in Form entwickelt. Dabei entsteht eine Notation, eine Metasprache, die nur schwer rückführbar ist; eine Reaktion auf die Reduktion der Sprache in der digitalen Welt auf 0 und 1, auf Ja und Nein. Die Anatomie des Klangs fragt nach dem schöpferischen Potenzial von Sprache, nach dem Zusammenhang zwischen Wort und Materie, zwischen Welle und Körper, zwischen dem Jetzt und seinem bleibenden Widerhall.
Für die langgestreckte Skulptur aus der Reihe ‚Zwischen Ja und Nein‘ nutzt die Schweizer Künstlerin die Tonspuren eines „Ja“ und eines „Nein“. Die hohe Skulptur vereint acht verschiedene Stimmen, die paarweise jeweils eine pro und eine contra Position einnehmen. Wolfensberger nimmt Bezug auf die Grundlage der Demokratie: die Debatte. Besonders in der Abgeschlossenheit der Täler waren die Menschen darauf angewiesen gemeinsam Lösungen zu finden, der oppositionellen Argumentation zuzuhören, und so einen neuen Raum zu schaffen, der grösser ist als das einzelne Ja und das einzelne Nein.
Pro- und Kontra-Stimmen werden in Form von Schallwellen überlagert, so entstehen gekrümmte Flächen, das Konstruktionselement für den dreidimensionalen Körper. Durch die Schichtung unzähliger Kartonteile ergibt sich eine verwobene, aufstrebende Struktur, die von einer Seite an einen Schutzort, eine Schutzmantel Madonna erinnert und von den anderen Seiten die Formation von Felsspalten aufnimmt. Es entstehen Räume des Dazwischenseins, Räume neuer Möglichkeiten. Während die Skulpturen das gesellschaftliche Miteinander reflektieren befassen sich die Papierarbeiten in der Ausstellung zeichnerisch mit dem Thema der Flechten. Sie sind Doppelwesen aus Algen und Pilzen, die wie die Bakterien zu den ersten Lebewesen auf unserem Planeten zählen. Flechten treten besonders in Lebensräumen mit extremen Klimabedingungen, wie den Bergen oder im Eis zum Vorschein, Regionen, die für höhere Pflanzen zu trocken, zu nährstoffarm oder zu kalt sind. Wie haben sie überlebt? Was können wir von ihnen lernen? „In dieser Symbiose aus Alge und Pilz wird die Grenze zwischen Individuum und Gemeinschaft eklatant verwischt. Aber erst in höchster Not schlangen sich die Hyphen um die Algen, und erst wenn diese unter großem Stress standen, ließen sie die Avancen geschehen“ (Robin Wall Kimmerer, Geflochtenes Süssgras, S.316).
Andrea Wolfensberger (*1961 in Zürich) lebt und arbeitet in Waldenburg und Zürich (CH) und ist Bildhauerin und Installationskünstlerin. Sie studierte an der École Supérieure d’Art Visuel in Genf. Im künstlerischen Diskurs zum Thema Natur bezieht Andrea Wolfensberger mit Skulptur, Video und Installationen eine sehr eigene, stringente Position, die naturwissenschaftliche Abstraktion und erzählerische Poesie vereint. Die Grundlage der meisten Arbeiten bilden klassische Naturstudien. Erkennen wird als Moment des Berührens verstanden, als situiertes, verkörpertes und partielles Wissen. Ist Erkennen als Moment des Berührens wechselseitig? Wie ist das Verhältnis des Einzelnen zum Ganzen? Die Stellung des Subjektes in Bezug zur Gruppe wird besonders in denjenigen Arbeiten thematisiert, die sich mit Schwarmintelligenz und selbst organisierenden Systemen auseinandersetzen.
Manaf Halbouni (*1984 in Damaskus, Syrien) lebt und arbeitet überall, wie er sagt. Halbouni studierte Bildhauerei an der Universität Damaskus und der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Sein Fluchtauto am Dresdner Theaterplatz, Schauplatz montäglicher Pegida-Versammlungen, hat den syrisch-deutschen Künstler Manaf Halbouni bekannt gemacht. Dabei beschäftigte er sich ironisch mit islamfeindlichen Äußerungen und der Angst vor Flüchtlingen. Seitdem ist er mit dem mit deutschen Devotionalien wie Gartenzwergen, Bierkasten und Fahrrad beladenen Vehikel international unterwegs. Nach der Teilnahme an der Biennale in Venedig wurden seine Werke im Victoria and Albert Museum und im Museum der bildenden Künste Leipzig präsentiert, wo er auch eines seiner Fluchtautos zeigte. Im Rahmen seiner Installation Monument ließ er in Dresden drei Busse vertikal aufstellen, die an den Krieg in Syrien erinnern und eine Botschaft des Friendens in die Welt tragen sollen.
Judith Neunhäuserer (*1990 in Bruneck, Italien) lebt in München und Mailand. In ihrer künstlerischen Praxis beschäftigt sie sich mit Abgrenzungsversuchen und ästhetischen und epistemischen Gemeinsamkeiten zwischen Wissenschaft und Religion. Dabei geht es beispielsweise um Mythen und Träume als Grundlage von Entdeckungen, die Ritualisierung von Forschungsprozessen sowie unterschiedliche Sprachen und Symbolsysteme zur Formulierung von Modellen der und für die Welt.
Filmprogramm
Manaf Halbouni
Nowhere Is Home, 2015
Film, 3 Minuten
Judith Neunhäuserer
Everything Flows, 2023
Film, 8 Minuten
Soundtrack, 2022,
다음 Daum (Gespräch), 김호빈 Hobin Kim (Simultanübersetzung)
Judith Neunhäuserer
All Heat Is The Same, 2023
Film, 15 Minuten
Soundtrack, 2023
Adrian Sölch (Komposition)
Programm
Eröffnung
Donnerstag, 2. Mai März 2024, 18 bis 21 Uhr
Einführung 19.30 Uhr
Andrea Wolfensberger im Gespräch mit Prof. Dr. Boris Previšić
Mittwoch, 15. Mai 2024, 19 Uhr
Finissage mit Musik von pre-art
Mittwoch, 29. Mai 2024, 19 Uhr
Dazwischensein ist ein Projekt in Kooperation mit der Ludwigs-Maximilians-Universität München, dem Urner Institut Kulturen der Alpen und der Stiftung Lucerna. Mit freundlicher Unterstützung der Curt-Wills-Stiftung und der Förderung des Vereins Ausstellungshaus für christliche Kunst e.V., München. Das Projekt wurde ermöglicht durch das Förderprogramm BBK – Verbindungslinien aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst.
Weitere Informationen und aktuelle Termine finden Sie unter www.dg-kunstraum.de
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Eintrag zuletzt geändert am 30.05.2024