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Nie wieder! 75 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau

Am 29. April 1945 um 17.28 Uhr befreiten amerikanische Truppen die Überlebenden im KZ Dachau. Das unermessliche Leid und die Grausamkeiten, die die Soldaten dort antrafen, war selbst für die hartgesottenen GI's unerträglich.
Die offizielle Befreiungsfeier zum 75. Jahrestag, zu der am 3. Mai 2000 Gäste, Überlebende und Befreier, aus aller Welt erwartet wurden, musste aufgrund von Corona abgesagt werden - und wird nun digital im Netz begangen werden.

Die Trauer und Enttäuschung ist groß, geht doch mit der Absage der Gedenkfeiern eine seltene Chance des Austausches mit den wenigen Zeitzeugen verloren. Das Gedenken muss dieses Jahr also andere Wege der Erinnerung finden, in aller Stille, jeder für sich zu Hause. Doch vergessen dürfen wir nicht, auch nicht in Corona-Zeiten. Der unzähligen Opfer und der Überlebenden soll in Würde gedacht werden. Hier haben wir die digitalen Angebote der Gedenkstätten in Dachau und Flossenbürg und ihrer über 200 Außenstellen gesammelt.

Never again! This week we commemorate the 75th anniversary of the liberation of Flossenbürg Concentration Camp (liberated on April 23, 1945) and Dachau Concentration Camp (liberated on April 29, 1945). Due to the coronavirus pandemic, all commemoration ceremonies were cancelled. But in order to show the importance of these dates and their meaning both memorial sites created a special digital way to commemorate the victims and the survivors.
Find out more and visit the websites of Flossenbürg Concentration Camp Memorial Site and of Dachau Concentration Camp Memorial Site

Reopening: the camp grounds of the Memorial Sites in Dachau and Flossenbürg will hopefully soon be accessible again (respecting the safety and sanitary regulations)

"Ihr seid nicht schuld an dem, was war,
aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht."Max Mannheimer, Überlebender der Konzentrationslager Auschwitz und Dachau

Am 29. April um 17.28 Uhr öffneten amerikanische Soldaten das Tor und befreiten 32.000 Menschen  © KZ-Gedenkstätte Dachau
Ehrenfriedhof in Mühldorf für die Verstorbenen der Konzentrationslager des Landkreises.  © Von Tafkas

Damit war auch das Ende für das älteste Konzentrationslager gekommen. Bereits 1933 war das Lager in Dachau für politische Gefangene errichtet worden. Es diente als Muster für alle späteren Konzentrationslager und als Schule für die Männer der SS. In den zwölf Jahren seines Bestehens waren hier und in zahlreichen Außenlagern über 200.000 Menschen aus 34 Nationen und ganz Europa inhaftiert. 41.500 wurden ermordet.

Je näher die alliierten Truppen rückten, desto mehr Häftlinge wurden nach Dachau transportiert. Die Häftlingszahl stieg um ein Vielfaches und führte ab Dezember 1944 zu katastrophalen Zuständen. Die Baracken waren hoffnungslos überfüllt; eine Typhusepidemie kostete Tausenden das Leben.

Die Außenlager

Das Mahnmal des Künstlers Hubertus von Pilgrim gedenkt der Todesmärsche. Wieviele Menschen genau dabei umkamen, weiß man nicht.  © Ania Hillenbrand

Ab 1942 entstand ein weit verzweigtes Netz aus 140 Außenlagern, wo weit über 30.000 Gefangene inhaftiert waren. In Landsberg/Kaufering (externer Link, öffnet neues Fenster) und in Mühldorf (externer Link, öffnet neues Fenster)sollten unterirdische Fabriken für Waffen, Flugzeuge und Raketen entstehen. Die Bedingungen in den primitiven Lagern waren besonders hart und die Unterbringung zum Teil in Erdhütten katastrophal. Viele Menschen überlebten es nicht.

Die Dachauer Todesmärsche

Obermenzig an der Blutenburg ist eine von 22 Gedenkstätten für die Dachauer Todesmärsche entlang der Strecke vom KZ bis Waakirchen.  © Ania Hillenbrand
Gedenkorte der KZ-Gedenkstätte, Dachau
Station 4 auf dem "Weg der Erinnerns" - über dieses Gleis rollten die Züge mit den Häftlingen © KZ-Gedenkstätte Dachau

Ab dem 22. April 1945 wurden die Häftlinge des Hauptlagers in Dachau und seiner Außenlager von der SS evakuiert. Einige wurden in Züge verladen. Doch die große Mehrheit wurde unter unmenschlichen Bedingungen über weite Strecken in Richtung Alpen getrieben. Ohne Proviant, ohne Wasser, in Holzschuhen und dünner Kleidung, sollten die Gefangenen das Ötztal in Tirol zu Fuß erreichen. Wenn Anwohner versuchten, den Männern, Frauen und Kindern Brot und Wasser zu reichen, wurden sie von den Wachen verjagt. Wer nicht mehr laufen konnte, wurde erschossen.

Die Kolonnen folgten dem Würmtal nach Starnberg und weiter gen Süden – vorbei an Karlsfeld, Allach, Obermenzing und Pasing. Damit wollten die NS-Verantwortlichen vermutlich verhindern, dass die Häftlinge in die Hände der alliierten Armeen fielen. Viele Menschen waren abgemagert, erschöpft und krank, sodass sie kaum eine Chance hatten, diese Strapaze zu überleben. Unzählige fanden so in den letzten Tagen des Krieges einen grausamen Tod.

Noch in der Nacht zum 26. April wurden vom Hauptlager Dachau aus rund 7.000 Häftlinge auf einen letzten Todesmarsch in Richtung Alpen geschickt. Diejenigen, die es schafften, erreichten am Morgen des 2. Mai Waakirchen. Die Männer der SS waren in der Nacht bereits vor den anrückenden Amerikanern geflohen. Erst am Nachmittag trafen dort die ersten US-Soldaten ein.

An die oft namenlosen Opfer der Todesmärsche erinnert ein Mahnmal (externer Link, öffnet neues Fenster)von Hubertus von Pilgrim. Das Original steht am John F. Kennedy Platz in Dachau, eine Kopie in der Dauerausstellung der KZ Gedenkstätte. Weitere 22 von 26 Gedenkstätten errichtete der Künstler aus Pullach selbst entlang der Routen, von Dachau bis nach Bad Tölz.
Die erste seiner Plastiken wurde im Juli 1989 in Gauting enthüllt: auf einem Sockel ist jeweils eine Gruppe von entkräfteten, abgemagerten Gestalten zu sehen, die, den Blick ins Leere gerichtet, in gleicher Richtung marschieren. Eines dieser Mahnmale steht auch im NS-Doku-Zentrum in München und im Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem.

Eine Liste der Standorte und mehr Infos findet ihr auf der Website des Vereins "Gedenken im Würmtal" (externer Link, öffnet neues Fenster), der sich seit den 80er Jahren darum bemüht, die Todesmärsche zu dokumentieren und mit jährlichen Gedenkzügen an die Opfer erinnert. Dieses Jahr muss auch dieser zunächst digital stattfinden.

Weg des Erinnerns

Das internationale Mahnmal von Nandor Glid auf dem Appellplatz  © KZ-Gedenkstätte Dachau

Den Fußweg vom Dachauer Bahnhof bis zum Besucherzentrum der KZ-Gedenkstätte säumen 12 Informationstafeln in einem "Weg des Erinnerns" (externer Link, öffnet neues Fenster). Es ist die Strecke, die auch viele Häftlinge während der NS-Zeit ins Konzentrationslager gehen mussten. Denn nicht alle Züge fuhren unmittelbar bis zum KZ, viele Häftlingstransporte endeten schon am Dachauer Bahnhof. SS-Männer trieben die Gefangenen dann die restlichen drei Kilometer zu Fuß weiter: entlang der damaligen "Adolf-Hitler- Straße" (heute: "Frühlingstraße") vorbei am SS-Übungslager und den Siedlungshäusern für die Familien der SS bis zum Lagereingang. Für viele war es der letzte Gang.

Künstler im KZ Dachau

Unter den Häftlingen waren auch Künstler wie der Architekt Vlasto Kopač oder der Dachau-Überlebende Georg Tauber, die unter Lebensgefahr weiter zeichneten. Tauber begann gleich nach seiner Befreiung, seine Erinnerungen und den grausamen Alltag während seiner Inhaftierung zeichnerisch zu dokumentieren und so Beweise für die Verbrechen der SS zu sammeln. Er hielt auch die Ankunft der US-amerikanischen Truppen und das Leben im Lager danach auf Papier fest. Manche seiner Skizzen, Aquarelle, Stadtansichten und Landschaften waren von einem Zivilarbeiter aus dem KZ geschmuggelt worden und erst vor einigen Jahren im Nachlass eines ehemaligen Mithäftlings aufgetaucht.

Eine weitere Künstlerpersönlichkeit war der gehörlose Porzellanmaler, Maler und Lithograf David Ludwig Bloch. Geboren 1910 in Floß in der Oberpfalz, war er nur kurz in Dachau. Er konnte nach Shanghai und New York emigrieren. Erst 1976 kam er wieder zurück nach Deutschland und versuchte, den Holocaust und seine Gefangenschaft in seinen Gemälden und Holzschnitten zu verarbeiten.

Einer der bekanntesten Zeitzeugen, ein Mahner und Botschafter, ist Max Mannheimer. Fast seine gesamte Familie wurde in Auschwitz ermordet, er selbst überlebte Auschwitz und Dachau. Aus dem Außenlager Mühldorf wurde er mit tausenden anderen in einen Zug verladen.

"Es ist der 30. April 1945. Wir bleiben auf offener Strecke stehen. Von weitem sehen wir eine lange motorisierte Kolonne. Unsere Bewacher sind verschwunden. Wir öffnen die Waggons. Das Tor zur Freiheit. Einige hundert Meter von uns fährt eine amerikanische Militärkolonne. Wir sind frei. Wir können es noch nicht fassen. Ich bin zu schwach, um den Waggon zu verlassen."Max Mannheimer, Auszug aus seinen Memoiren "Spätes Tagebuch"

Begrüßungsbanner vor der Kommandatur des KZ Flossenbürg, April 1945  © National Archives, Washington D.C.

Mannheimers abstrakte Gemälde unter dem Pseudonym "ben jacov" waren - wie seine Vermittlungsarbeit - ein Weg, seinen Schmerz auszudrücken und zu überwinden. Besonders wichtig aber war ihm der Austausch mit Jugendlichen.
Zum dritten Mal fanden 2020 in Bad Aibling die Max-Mannheimer-Kulturtage (externer Link, öffnet neues Fenster) statt, eine Initiative, die die Erinnerungskultur pflegen und gegen das Vergessen angehen will.

Den Künstlern, die in Dachau wirkten, sind auch mehrere sehr interessante Themenrundgänge (externer Link, öffnet neues Fenster)gewidmet, die, sobald die KZ Gedenkstätte wieder öffnen kann, wieder angeboten werden.

Ausstellungen in der KZ Gedenkstätte Dachau

In aller Stille - Gedenken digital

© KZ-Gedenkstätte Dachau

Die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg gibt den Menschen, die dort starben und litten, eine Stimme und ein Gesicht und lässt auf der Website zahlreiche Zeitzeugen, Überlebende und Angehörige zu Wort kommen.
In der Dauerausstellung "Was bleibt" (externer Link, öffnet neues Fenster), die sich mit dem Ort, der Erinnerung, den Opfern, den Tätern und den Nachwirkungen beschäftigt, ist auch ein Video der US-Armee nach der Befreiung zu sehen.

Die offizielle Befreiungsfeier (externer Link, öffnet neues Fenster)des Konzentrationslagers Dachau am 3. Mai wird online begangen. Auf der neuen Website der KZ Gedenkstätte Dachau werden die Grußbotschaften von Überlebenden und Befreiern des KZ Dachau in sieben Sprachen veröffentlicht, sowie die Redebeiträge der Festredner per Videobotschaft übertragen.
Weiterhin gibt es auf der neuen Homepage (externer Link, öffnet neues Fenster) zahlreiche Möglichkeiten, auch digital zu gedenken, so etwa ein virtueller Rundgang (externer Link, öffnet neues Fenster) in 20 Stationen, ein audiovisueller Rundgang "Die Befreiung (externer Link, öffnet neues Fenster)" in Kooperation mit dem BR, digitale Live-Rundgänge (externer Link, öffnet neues Fenster)auf der Facebook-Seite, Audiobeiträge (externer Link, öffnet neues Fenster) zu diversen Themen und Stimmen der Überlebenden (externer Link, öffnet neues Fenster) etc.

Abb. ganz oben: Gemälde von David Ludwig Bloch © KZ-Gedenkstätte Dachau

Ania Hillenbrand & Nathalie Schwaiger